Pilgern auf Französisch
dass er Worte liebt!
»Gut, du gibst also >eines Besseren belehren< den Vorzog. Und welchen Satz kann man damit bilden?«
»Man kann sagen: >Ich lerne, mich gut auszudrücken, um diejenigen eines Besseren zu belehren, die sagen: Wir sind besser als die Armen.<«
»Toll!«
DIE PILGER HABEN NUN den welligen grünen Südwesten Frankreichs erreicht. Sie sind durch Espalion gekommen, die Stadt mit der dreibogigen Brücke, die das blaue Band des Lot überspannt, durch Conques, ein riesiges Einkaufszentrum für Rentner, die busweise kommen und schamlos ausgenommen werden, und durch Moissac, wo sie den Kreuzgang der Benediktinerabtei gesehen haben, in dem sechsundsiebzig romanische Kapitelle und einhundertsechzehn Säulen aus skulptiertem Marmor erhalten sind — ein Kreuzgang, der sogar Atheisten Lust auf ein Leben im Kloster machen könnte. Und ihnen sind noch viele andere Kleinodien begegnet, die man mit eigenen Augen sehen muss und die in den Reiseführern unerwähnt bleiben.
Sie sind von Fierberge zu Herberge gezogen, von einem gemeinsamen Essen zum nächsten, von einer kleinen Wäsche zur anderen, von Zoff zu Zoff und von einem unverhofften Augenblick reiner Freude zum nächsten, wenn ihnen etwa am Weg Obst angeboten wurde oder wenn ein prasselnder Regenschauer plötzlich aufhörte.
Pierre spricht nicht mehr vom Umkehren, aber die Beziehung zu seinen Geschwistern ist nach wie vor spannungsgeladen.
Claude besitzt immer noch nichts, und er braucht auch nichts, es sei denn hier und da einen Stopp in einer Kneipe. Vielen Pilgern auf dem Jakobsweg sind die architektonischen und landschaftlichen Schätze wichtig, für andere bedeutet der Weg eine spirituelle Suche, manche wollen andere Menschen kennenlernen oder ihre frühere Leistungsfähigkeit zurückgewinnen, und wieder andere sehen darin den Kneipenweg. Claude wandert den Kneipenweg.
Es hat sich so eingespielt, dass man ihm Seife und Besteck leiht, und die Gruppe macht mit, weil Claude streng auf eine gerechte Rotation der Leihgeber achtet. Wenn er sich dazu durchringen kann, seine Wäsche zu waschen, lässt er abwechselnd Unterhose, Hemd und Hose unterwegs an einem Stock trocknen, und dann marschiert der schlaksige Typ ungeniert in der Unterhose und mit nackten Beinen und Füßen in seinen Turnschuhen weiter.
Niemand traut sich, es auszusprechen, aber alle finden, dass Claude das Motto des »leichten Gepäcks« am besten umgesetzt hat, und bereuen es, nicht selbst den Mut gehabt zu haben, es so zu machen wie er.
Mathilde ist fasziniert von dieser Lässigkeit, von dieser offenbaren Leichtigkeit im Umgang mit Problemen. Sie, die so große Ängste hat, findet bei Claude Entspannung und Frieden.
Guy beobachtet argwöhnisch den Fortgang dieser Beziehung, die zwar noch platonisch ist, aber enger und vertraulicher wird.
Ihm geht das auf die Nerven, weil er sich mit der undankbaren Rolle bescheiden muss, die materielle Versorgung zu gewährleisten, aber er beherrscht sich und lässt sich nichts anmerken.
Said und Camille lassen sich nicht aus den Augen, sie streichen umeinander wie zwei junge Wölfe, die sich einander nähern, sich gegenseitig zurückdrängen und wieder anziehen.
Die bunten Stempel füllen die Pilgerausweise.
Ramzi hat viele Kühe und Schafe gesehen, ohne dass seine Liebe zu diesen Tieren auch nur um ein Jota nachgelassen hätte.
Er geht gern mit Guy in den kleinen Dorfläden einkaufen und hofft vergeblich, eines Tages doch noch ein bisschen Junkfood zu ergattern.
»Guy, können wir nich mal ’ne Limo kaufen, nur ein Mal!«
»Nein, davon bekommt man Blähungen.«
»Oh, da gibt’s ja weiße Schokolade! Meine Mutter kauft nie weiße Schokolade. Ist weiße Schokolade gut, Guy?«
»In dieser Bruthitze schmilzt die Schokolade doch im Rucksack.«
»Ah, Chips! Chips sind gut auf einer Wanderung, oder, Guy?«
»Lass mal die Tüte sehen... Also, Geschmacksverstärker E621, Füllstoff E551, Säuerungsmittel E330. Hm... Das findest du gut?«
»Nehmen wir die Tüte?«
»Willst du dich vergiften?«
»Dann essen wir also gar nichts?«
»Doch, Gemüse.«
In Ernährungsfragen ist Guy unerbittlich.
Nach der Vorbereitungsphase hat Clara nun in der Mittagspause hinter einem Felsen mit der ersten richtigen Unterrichtsstunde begonnen:
»Was hast du denn für Interessen?«
Ramzi: »Fußball!«
»Sehr schön. Also Fußball. Welche Wörter über Fußball willst du lesen lernen?«
»Das Wort Fußball.«
»Gut, Fußball. Was
Weitere Kostenlose Bücher