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 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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dienten, die Türpfosten, die Türklinken und die an den Trennwänden aufgemalten Orientierungspfeile und Aufschriften. Das Raumschiff war so reglos, als ruhe es an einem irdischen Dock. Nicht die leiseste Schwingung war zu spüren, nur die Klimaanlagen arbeiteten gerade noch hörbar. Pirx durchschritt nacheinander Ströme von kühlerer Luft mit sehr schwachem Ozongeruch.
    Einmal prallte etwas mit giftigem Summen gegen seine Stirn – eine Fliege, die sich als blinder Passagier eingeschmuggelt hatte. Er sah ihr widerwillig nach, er mochte Fliegen nicht, aber er konnte sie nicht mehr entdecken. Hinter der Abzweigung verengte sich der Gang und führte an der Treppe und dem Zylinder des Personenlifts vorbei. Pirx packte das Geländer und stieg hinauf, ohne recht zu wissen, warum. Er dachte nicht einmal daran, daß dort oben das Sternenfenster war. Das heißt, er wußte von der Existenz dieses Fensters, doch er stieß dennoch wie zufällig auf das große schwarze Viereck. Eigentlich hatte er keine echte Beziehung zu den Sternen. Viele Kosmonauten besaßen angeblich so etwas. Es gab nicht mehr jene unbedingt verbindliche romantische »Fassade« der Flüge von einst, aber weil die Öffentlichkeit, die durch Film, Fernsehen und Literatur geprägt wurde, eine Art »kosmische Haltung« von den Raumfahrern erwartete, bemühte sich beinahe jeder um ein gewisses intimes Verhältnis zu diesem Lichtgewimmel. Pirx verdächtigte im Grunde genommen all diejenigen, die darüber sprachen, der Aufschneiderei, denn er selbst machte sich wenig aus den Sternen, und große Reden über dieses Thema zu schwingen, das hielt er für absolute Idiotie.
    Er lehnte sich nun gegen ein elastisches Rohr, das als Schutz diente, damit man sich an der unsichtbaren Glasscheibe nicht den Kopf stieß, und erkannte sogleich das Zentrum der Galaxis unter dem Raumschiff oder vielmehr seine Richtung, die von den großen weißlichen Wolken des Schützen dem Blick entzogen wurden. Dieses Sternbild war für ihn so etwas wie ein verwittertes und deshalb nicht sehr deutlich ablesbares Verkehrszeichen. Das wußte er noch von den Patrouillenflügen, denn die Wolke des Schützen ließ sich selbst auf kleinen Bildschirmen ausmachen, und das schmale Gesichtsfeld, das jene Einmannraketen boten, erschwerte einem manchmal die Orientierung nach Sternbildern. Aber im allgemeinen dachte er auch angesichts dieser Wolke nicht an Millionen von glühenden Welten mit zahllosen Planetensystemen – das heißt, in jungen Jahren, als er selbst noch nicht im Weltraum gewesen war und sich noch nicht an ihn gewöhnt hatte, da hatte er auch so gedacht. Dann aber, eines Tages, waren diese jugendlichen Phantasievorstellungen verflogen, er wußte selbst nicht, wann das war. Er näherte sein Gesicht langsam der kalten Glasfläche, bis er sie mit der Stirn berührte, und blieb so stehen, ohne das Gewirr der reglosen Lichtpunkte genau zu betrachten, die sich stellenweise zu weißglühenden Nebelschwaden verdichteten. Von innen gesehen, war die Galaxis ein Chaos, das Ergebnis eines Jahrmilliarden währenden Feuerwürfelspiels – ein einziges Drunter und Drüber. Und dennoch herrschte eine Ordnung in den Galaxen, eine Ordnung höheren Grades, die man allerdings nur auf den Aufnahmen riesiger Reflektoren wahrnehmen konnte. Die Galaxen nahmen sich auf den Negativen wie elliptische Körperchen aus, wie Amöben in verschiedenen Entwicklungsphasen, nur daß die Kosmonauten davon überhaupt nicht berührt wurden – das Sonnensystem war für sie alles, der Rest zählte nicht. Vielleicht wird es in tausend Jahren einmal zählen, dachte er.
    Irgend jemand mußte in seiner Nähe sein. Der Schaumstoffläufer dämpfte zwar die Schritte, aber Pirx spürte jemandes Gegenwart. Er wandte den Kopf und erblickte vor dem Hintergrund der Leuchtstreifen, die den Verlauf der Decke und der Wände anzeigten, eine dunkle Gestalt.
    »Wer ist da?« fragte er, ohne die Stimme zu heben.
    »Ich bin es – Thompson.«
    »Haben Sie Ihre Wache beendet?« fragte Pirx, nur um irgend etwas zu sagen.
    »Ja, Commander.«
    Beide standen unschlüssig da. Pirx wollte sich wieder dem Fenster zuwenden, aber der andere schien auf etwas zu warten.
    »Sie möchten mir etwas sagen?«
    »Nein«, antwortete der andere, wandte sich ab und ging in der Richtung davon, aus der er gekommen war.
    Was soll denn das nun wieder? fragte sich Pirx. Es hat doch ganz so ausgesehen, als hätte er mich gesucht.
    »Thompson!« rief er in die Dunkelheit. Die

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