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 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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hatten, befand sich jetzt ein kleines weißes, maschinenbeschriftetes Kuvert dort: Commander Pirx. Er hob es auf, es war zugeklebt. Er schloß die Tür, setzte sich und riß das Kuvert auf – es enthielt ein mit Maschine vollgeschriebenes Blatt Papier ohne Unterschrift. Er rieb sich die Stirn und begann zu lesen. Die Anrede fehlte.
    Diesen Brief schreibt Ihnen ein Mitglied der Besatzung, das kein Mensch ist. Ich habe diesen Weg gewählt, weil er meine Interessen mit den Ihren vereint. Ich will, daß Sie die Pläne der Elektronenfirmen vereiteln oder zumindest ihre Verwirklichung erschweren. Deshalb möchte ich Ihnen einige Informationen über die Eigenschaften der Nichtlinearen liefern, soweit ich auf Grund meiner eigenen Erfahrungen darüber Bescheid weiß. Einen ähnlichen Brief hatte ich schon geschrieben, noch ehe ich Sie zu Gesicht bekam. Ich wußte damals noch nicht, ob der Mensch, der Kommandant des »Goliath« werden würde, zur Zusammenarbeit mit mir bereit wäre, doch aus Ihrem Verhalten bei unserer ersten Begegnung schloß ich, daß Sie dasselbe Ziel verfolgen wie ich. Deshalb habe ich die erste Variante dieses Briefes vernichtet und schrieb diesen hier. So wie ich die Dinge einschätze, kann die Verwirklichung des Projekts der Firmen mir nicht zum Nutzen gereichen. Allgemein gesehen hat die Produktion von Nichtlinearen nur dann einen Sinn, wenn sie dem Menschen in einer breiten Parameterskala überlegen sind. Eine Variation des bereits existierenden Menschentyps wäre absolut sinnlos. Ich will Ihnen auch gleich verraten, daß ich viermal weniger beschleunigungsempfindlich bin als der Mensch, daß ich eine einmalige Strahlungsintensität bis zu fünfundsiebzigtausend Röntgen vertragen kann, ohne Schaden zu nehmen, daß ich einen Radioaktivitätssinn besitze, ohne Sauerstoff und Nahrung auskomme und schließlich fähig bin, mathematische Operationen in den Bereichen Algebra, Analyse und Geometrie mit einer Geschwindigkeit vorzunehmen, die nur um ein Dreifaches geringer ist als die Leistung großer Rechenautomaten. Was das emotionale Leben anbelangt, so sind mir, soweit ich das überblicke, im Vergleich zum Menschen erhebliche Beschränkungen auferlegt. Eine Vielzahl von Angelegenheiten, die den Menschen beschäftigen, interessieren mich nicht. Die Mehrzahl der literarischen Werke, Theaterstücke und ähnliches mehr empfinde ich als uninteressant oder indiskretes Gewäsch, als eine Art Bespitzelung fremder Privatangelegenheiten, die, was ihren Erkenntniswert angeht, recht unergiebig sind. Sehr viel hingegen bedeutet mir die Musik. Ich besitze Pflichtgefühl und Ausdauer, bin zu Freundschaft und zu Ehrfurcht gegenüber intellektuellen Werten fähig. Ich fühle mich zu meiner Arbeit an Bord des »Goliath« nicht gezwungen, weil das, was ich tue, die einzige Sache ist, die ich richtig beherrsche, und etwas solide und gründlich zu tun verschafft mir Befriedigung. In keiner Situation engagiere ich mich emotionell, ich bleibe stets der außenstehende Beobachter der Ereignisse. Ich besitze ein Gehirn, mit dem sich das menschliche nicht messen kann. Ich bin imstande, ganze Kapitel von Werken auswendig herzusagen, wenn ich sie einmal gelesen habe; durch Direktanschluß an den Gedächtnisspeicher einer großen Rechenmaschine kann ich »mit Informationen aufgeladen« werden. Andererseits bin ich in der Lage, beliebig zu vergessen, was ich für mein Gedächtnis als Ballast erachte. Meine Einstellung zu den Menschen ist negativ. Ich bin fast ausschließlich mit Wissenschaftlern und Technikern in Berührung gekommen – selbst sie handelten als Sklaven ihrer Impulse, verbargen ihre Vorurteile schlecht, fielen leicht von einem Extrem ins andere, indem sie ein Wesen wie mich entweder gönnerhaft behandelten oder, im Gegenteil, ihm gegenüber Abscheu und Widerwillen empfanden, wobei meine Mißerfolge sie – als meine Schöpfer – bekümmerten, obwohl sie sich – als Menschen – darüber freuten, darüber nämlich, daß sie letztlich doch vollkommener sind als ich. Ich habe nur einen einzigen Menschen gekannt, der nicht eine derartige Ambivalenz an den Tag legte. Ich bin weder aggressiv noch pervers, obgleich ich zu Handlungen fähig bin, die euch unverständlich wären, obwohl auch sie nur der Realisierung eines bestimmten Plans dienen. Ich besitze keinerlei moralische Prinzipien, aber ich würde kein Verbrechen verüben und keinen Raubüberfall planen, genausowenig wie ich ein Mikroskop benützen würde, um damit

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