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 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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rostrote als rosige Färbung angenommen; in solchen Augenblicken schien auch der Mars auf eigenartige Weise schön zu sein. Es war eine rauhe Schönheit, die sich von der irdischen stark unterschied, eine verschleierte, gleichsam ungeläuterte Schönheit, die in kräftigerem Sonnenlicht urplötzlich unter den Staubwehen und schmutziggrauen Streifen zutage treten wollte, aber derartige Erwartungen wurden nicht erfüllt; das war keine Verheißung, sondern schon das Beste, was der Planet an Landschaft aufzuweisen hatte. Als sie von dem gedrungenen, bunkerähnlichen Gebäude der Flugkontrolle aus ungefähr eineinhalb Meilen zurückgelegt hatten, erreichten sie das Ende der Startrampen, und gleich dahinter wäre der Geländewagen hoffnungslos eingesunken. Pirx trug ebenso wie die anderen einen leichten Halbskaphander, er war lichtblau und viel bequemer als die mit Hochvakuum ausgestatteten. Auch der Tornister war leichter durch das offene Sauerstoffsystem, was sich zwar einerseits auf die Klimatisierung auswirkte, denn wenn man bei schnelleren Bewegungen in Schweiß geriet – man mußte sich durch Flugsanddünen wühlen –, beschlug sofort die Helmscheibe, andererseits war das hier kein Unglück, denn zwischen dem Ring des Helms und dem Oberteil des Skaphanders hingen lose Säckchen, die den Halslappen eines Truthahns ähnelten. In diese Beutel konnte man die Hand stecken und das Glas von innen abwischen – auf eine zwar primitive, aber wirksame Weise.
    Der Boden des riesigen Trichters war mit Raupenfahrzeugen vollgestopft; der Graben, den man ausgehoben hatte, um die Steuerkabine zu erreichen, glich der Öffnung eines Grubenschachts; er war sogar an drei Seiten mit Aluminiumwellblech gegen den herabrieselnden Sand abgestützt. Die Hälfte des Trichters nahm der Mittelteil des Rumpfes ein, der wie ein vom Sturm an Land getriebener und zwischen Klippen zerschellter Ozeandampfer wirkte; darunter machten sich etwa fünfzig Menschen zu schaffen – sie und ihre Bagger sahen aus wie Ameisen am Leichnam eines Riesen. Die Spitze der Rakete, die allein achtzehn Meter lang war, konnte von hier aus nicht gesehen werden, sie war ein paar hundert Meter weiter geschleudert worden. Die zermalmende Kraft des Aufpralls mußte schrecklich gewesen sein, denn man hatte Klümpchen geschmolzenen Quarzes gefunden – die Bewegungsenergie hatte sich augenblicklich in Wärmeenergie verwandelt und einen thermischen Sprung verursacht wie ein Meteoreinschlag, obwohl die Geschwindigkeit nicht allzuhoch gewesen war: noch diesseits der Schallgrenze. Pirx gewann den Eindruck, daß die Disproportion zwischen den Mitteln, die dem Agathodaemon zur Verfügung standen, und den Ausmaßen der Zerstörung die laxe Art und Weise der Untersuchungen nicht genügend rechtfertigte; man improvisierte natürlich, aber diese Improvisation hatte etwas Chaotisches, hervorgerufen wahrscheinlich durch die Gewißheit, daß der Schaden so unvorstellbar groß war. Nicht einmal das Wasser war gerettet worden, denn alle Zisternen waren gesprungen und der Sand hatte Tausende Hektoliter verschluckt, bevor der Rest zu Eis erstarrt war. Dieses Eis wirkte besonders makaber, weil es sich in grauen, glänzenden, seltsam geformten Kaskaden von dem über vierzig Meter langen Riß im Rumpf bis zu den Dünen ergoß, so als hätte die explodierende Rakete einen ganzen gefrorenen Niagarafall ausgespien. Es herrschte ja Frost, achtzehn Grad unter Null, und nachts fiel die Temperatur auf minus sechzig. Durch das Eis, das die Flanke des »Ariel« verglaste, wirkte das Wrack seltsam alt, man hätte annehmen können, daß es seit undenkbaren Zeiten hier lag. Um ins Innere des Rumpfs zu gelangen, mußte man ihn zertrümmern und aufschweißen oder vom Schacht aus eindringen. Von dort aus wurden die unversehrten Behälter geborgen und an den Trichterwänden aufgestapelt, aber all das geschah recht unbeholfen. Der Zugang zum Heckteil war abgesperrt; hier flatterten rote Wimpel als Warnung vor radioaktiver Verseuchung.
    Pirx umging den Schauplatz der Katastrophe am oberen Rand, längs der Absperrung, und er zählte zweitausend Schritt, eher er sich bei den verrußten Düsentrichtern befand. Er ärgerte sich, als er sah, wie sie vergebens versuchten, die einzige erhalten gebliebene Zisterne mit Antriebsöl herauszuhieven, denn ständig entglitten ihnen die Ketten. Seiner Meinung nach hielt er sich noch nicht allzulange draußen auf, aber da berührte jemand seinen Arm und zeigte auf das Manometer

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