Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
eines Nachahmungstäters handelt. Aber ich muss erst noch schnell unter die Dusche. Ich bin dermaßen verschwitzt. Kommst du mit?«, fragte Schauß überflüssigerweise, denn das Flackern in Sabrinas Augen hatte bereits kurz vorher uneingeschränkte Zustimmung signalisiert.
Als das Ermittlerpaar etwa eine Stunde später am Antonihof eintraf, war der Förster gerade dabei, in einer etwas abseits gelegenen Garage ein Wildschwein aufzubrechen. Mit emporgestreckten, blutverschmierten Händen begrüßte er die beiden Polizisten.
»Bin gleich fertig«, sagte er, setzte noch einmal sein Messer in den toten Tierkörper, schnitt darin herum und entnahm ihm irgendwelche Innereien, um sie anschließend seinen beiden erwartungsvoll jaulenden Jagdhunden hinzuwerfen. Dann wusch er sich ausgiebig die Hände, trocknete sie mit einem graukarierten Handtuch ab und geleitete seinen Besuch in das alte, kühle Forstgebäude, das wie ein Hexenhäuschen aussah.
»Was führt Sie denn zu mir? Wollen Sie mir etwa schon die Belohnung überbringen? Das ging aber wirklich schnell! Ihr habt ja diesen perversen Saukerl erst vor kurzem ins Gefängnis gesteckt!«
»Der Mann ist nicht mehr im Gefängnis«, sagte Schauß betont gelassen.
»Wieso?«, fragte Kreilinger verblüfft. »Habt ihr den etwa schon wieder laufen lassen? Heute Morgen steht doch was ganz anderes in der Zeitung! Wieso ist der Saukerl nicht mehr im Gefängnis?«
»Weil er in der Gerichtsmedizin ist und gerade obduziert wird!«
»Was, Herr Kommissar?«
»Der Saukerl, wie Sie ihn immer so nett nennen, hat sich heute Nacht in seiner Zelle umgebracht.«
»Na, der wird gewusst haben, warum«, sagte der Mann in Grün ohne jeglichen Anflug von Betroffenheit. »Das hat der garantiert gemacht, weil er der Serienmörder ist, und nicht vor Gericht wollte! Klar! Dann ist der Fall ja gelöst – und ich bekomm meine Belohnung.«
»Was, du bekommst jetzt schon deine Belohnung?«, fragte plötzlich eine kräftige ältere Frau mit wallendem grauem Haar, die gerade aus einem neben der Küche befindlichen Raum hereingeschlichen kam.
»Sieht so aus, Mutter. Habe ich mir ja auch redlich verdient, schließlich hab ich den Frauenmörder gefasst, und nicht die Polizei!«
»Toll, Junge! Ich bin wirklich stolz auf dich!«
»Ich will ja Ihre gemeinsame Euphorie nicht zerstören, aber die Sache hat einen entscheidenden Haken«, torpedierte Schauß die Vorfreude der beiden auf den zu erwartenden Geldsegen.
»Welchen?«, wollte Kreilinger wissen.
»Er kann es definitiv nicht gewesen sein!«
»Warum?«
»Wir haben dafür eindeutige Beweise.«
»Welche?«
»Das kann ich Ihnen aus ermittlungstaktischen Gründen leider nicht mitteilen«, sagte der junge Kriminalkommissar, bevor er seine Trumpfkarte zog: »Womit wir beim Grund unseres Erscheinens wären: Wo waren Sie eigentlich zu den Zeiten, an denen die beiden Frauen umgebracht wurden? Konkret: Wo waren Sie am …«
»Was?«, unterbrach Kreilinger geschockt. »Wollen Sie mir vielleicht unterstellen, dass ich etwas mit den Morden an den beiden Frauen zu tun habe?«
»Wir wollen Ihnen überhaupt nichts unterstellen. Wir fragen lediglich nach Ihren Alibis für die Tatzeiten«, erklärte Sabrina.
»Hören Sie mir mal zu. Ich bin zwar schon eine alte Frau, aber mein verstorbener Mann war auch bei der Polizei. Und deswegen weiß ich, dass wir jetzt gar nichts mehr zu sagen brauchen. Wir rufen jetzt einen Anwalt an. Und Sie verschwinden jetzt sofort aus unserem Haus und von unserem Grundstück«, sagte die grauhaarige Frau resolut.
»Genau, Mutter!«, stimmte ihr Kreilinger zu.
»Gut, dann gehen wir jetzt. Und Sie erscheinen morgen früh um 10 Uhr im Kommissariat! Von mir aus mit Ihrem Anwalt, aber jedenfalls ohne Ihre Mutter!«, erwiderte Schauß barsch und verließ mit Sabrina im Schlepptau ohne Verabschiedung den Antonihof.
»Gut gemacht, Frau Kollegin«, lobte Schauß, als seine Frau ihm stolz die kleine Plastiktüte mit den braunen Haaren präsentierte, die sie von ihrem dringenden Toilettenbesuch mitgebracht hatte.
Dr. Hollerbach hatte zu einer außerplanmäßigen Dienstbesprechung in den großen Sitzungssaal des Kommissariats geladen.
»Liebe Kolleginnen und Kollegen«, begann er und räusperte sich verlegen, bevor er fortfuhr. »Ich habe Ihnen leider eine sehr traurige Mitteilung zu machen: Vor einer halben Stunde habe ich davon Kenntnis erhalten, dass ein Kriminalbeamter im Dienst sein Leben verloren hat.«
In das
Weitere Kostenlose Bücher