Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
und archiviert habe. Der und sein LKA können uns doch den Buckel runterrutschen. Es wäre doch gelacht, wenn wir das nicht alleine hinbekämen – oder, was meinst du, Wolf, altes Schlachtross?«
»Du hast vollkommen recht, Karl, von denen lassen wir uns doch nicht den Schneid abkaufen«, entgegnete Tannenberg, der sich inzwischen etwas von seinem Schock erholt hatte, mit wiedererstarkter Kampfeslust.
Während der Autofahrt zum Stall las Tannenberg immer und immer wieder das neue Gedicht durch. »Der Kerl kündigt doch eindeutig weitere Morde an. Schließt sich schon bald der Hexen Kreis? Die Antwort nur der Satan weiß! Der Frauen Tod ist Liebesfron – Es schreitet fort die Pilzsaison. Es schreitet fort die Pilzsaison! Irre! Einfach irre! Sag mal, wie lange gibt’s denn eigentlich Pilze? Ich meine, wie lange wachsen die im Wald? Im Supermarkt gibt’s ja immer welche. Aus Gewächshäusern oder in ehemaligen Bunkeranlagen gezüchtete.«
»Keine Ahnung. Ich schätze mal, bis es Frost gibt«, meinte Schauß.
»Weißt du, was wir unbedingt brauchen?«
»Vieles, Wolf, vieles. Vor allem Glück, denk ich mal.«
»Klar. Da hast du recht. Aber ich hab jetzt an einen Pilzexperten gedacht. Wir brauchen dringend einen Fachmann. Vielleicht kann der uns auf die Sprünge helfen, indem er etwas sieht, was wir nicht sehen.«
»Gute Idee«, unterstützte Kommissar Schauß das Vorhaben seines Chefs. »Nur, wo kriegen wir einen her?«
Tannenberg grübelte. »Wie kommen wir an einen Pilzexperten? Wer beschäftigt sich mit Waldpilzen? Vielleicht ein Biologe an der Uni? Oder ein Biologielehrer.«
»Hast du während deiner Schulzeit jemals etwas über Waldpilze gelernt? Oder kannst du dir vorstellen, dass es an der Uni ein Seminar über Speisepilze gibt?«
»Nein, eigentlich nicht. Aber an der Volkshochschule, da gibt es bestimmt Kurse. Da gibt es ja zu jedem Blödsinn einen Kurs, warum nicht auch über Pilze.«
»Wolf, ich glaube, du hast recht. Ich meine, auch schon mal was über Pilzexkursionen, die von der Volkshochschule veranstaltet wurden, in der Zeitung gelesen zu haben.«
»Genau, klär das später ab. Und der Fouquet soll mal bei den Naturfreunden und dem Bund für Umwelt- und Naturschutz nachfragen, vielleicht können die uns einen Tipp geben, der uns weiterbringt.«
»Alter Jammerlappen! Nimm dich doch mal zusammen. Das, was wir hier veranstalten, soll ja schließlich realistisch sein, sonst bräuchten wir’s wohl nicht zu machen«, stauchte Tannenberg Kriminalhauptmeister Geiger zusammen, weil dieser sich lautstark darüber beschwerte, dass Schauß ihn etwas unsanft aus dem Kofferraum gezogen hatte.
»Geiger, wenn’s dir nicht passt, können wir ja tauschen. Ich hab schließlich den viel anstrengenderen Job von uns beiden.«
»Michael, ich hab dich heute Morgen gefragt. Du brauchst das nicht zu machen, wenn du nicht willst«, stellte Tannenberg nochmals klar.
»Kein Problem, Wolf, ich hab ja gesagt, dass ich das gerne mache. Erstens, weil ich es als sportliche, oder sagen wir besser extremsportliche, Herausforderung betrachte, und zweitens, weil es mich ungemein interessiert, was dieser Kerl an Strapazen durchgemacht haben muss.«
»Okay, das wollt ich nur noch mal hören. Dann jetzt aber los, ihr beiden!«, sagte der Leiter der Sonderkommission und drückte auf den Startknopf der von Mertel ausgeliehenen Stoppuhr.
Obwohl Kommissar Schauß ein austrainierter, großer und ausgesprochen kräftiger junger Mann war, musste er ungefähr alle 10 Meter eine Verschnaufpause einlegen, so dass die gesamte Transportaktion mehr als eine Stunde dauerte, nicht eingerechnet die Zeit für den mehrmals gescheiterten und schließlich ad acta gelegten Versuch, Geiger auf die oberste Felsplatte des Sandsteindenkmals hochzuhieven.
»Das hätte der ohne Seilkonstruktion nie geschafft«, stellte Tannenberg fest und überreichte den beiden Männern jeweils eine Bierdose, die er im Rucksack mit sich geführt hatte.
»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mir jemals ein Bier so gut geschmeckt hat, auch wenn’s ein wenig zu warm ist«, sagte der völlig verausgabte Leichenschlepper, nachdem er einen riesigen Schluck genommen hatte.
»Danke für das Bier, Chef. Das haben wir uns auch verdient. Meine Schultern tun vielleicht weh«, jammerte Kriminalhauptmeister Geiger.
»Also Jungs, das habt ihr wirklich gut gemacht!«, lobte Tannenberg. »Jetzt wissen wir definitiv, dass dieser Kerl total durchgeknallt ist. Und wir
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