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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Bereicherung, fand er jedenfalls.
    Plötzlich sah er etwas, was er einfach nicht fassen konnte. Ihn traf fast der Schlag: Direkt vor ihm am Wegesrand hatten sich 10-15 ausgewachsene, dottergelbe Pfifferlinge aufgebaut, lächelten ihn frech an und forderten ihn auf, sie abzuschneiden und mit nach Hause zu nehmen. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Er nahm seine ganze Energie zusammen, sprang hoch und trampelte wie ein Geisteskranker so lange auf den wehrlosen Waldbewohnern herum, bis aus den einst so stolzen Speisepilzen nur noch eine undefinierbare flache Masse geworden war.
    Als nun auch noch Schnaken und Bremsen über ihn herfielen, reichte es ihm. Er hatte einfach keine Lust mehr auf Wald, Pilze und Ungeziefer. Außerdem hatte er nicht das Gefühl, sich während seiner Exkursion dem Täter mental auch nur einen Millimeter genähert zu haben. Deshalb rief er Schauß an und teilte ihm mit, dass er ihn in einer Viertelstunde am Hungerbrunnen abholen solle.
     
    Als Tannenberg zu Hause eintraf, wurde er von einem Fahnen schwenkenden Neffen begrüßt.
    »Tobi, wo hast du denn die Deutschlandflagge her?«
    »Die hat mir die Oma heute Morgen genäht. Opa und Marieke haben auch eine.«
    »Und für mich habt ihr keine?«, fragte Tannenberg mehr zum Scherz.
    »Oma hat keinen Stoff mehr gehabt.«
    »Es geht gleich los! Die Spieler kommen schon aufs Feld!«, rief Vater Tannenberg aus dem Wohnzimmer.
    Außer Tobis Eltern hatte sich die ganze Familie vor dem Fernseher im Nordhaus versammelt. Als die Nationalhymne erklang, erhoben sich bis auf den Kriminalbeamten alle Anwesenden und sangen lauthals mit. Wolfram Tannenberg war sprachlos, besonders als er die dicken Tränen in den Augen seines Vaters registrierte.
    »Ruhe, ihr verdammten Chauvinisten! Tobias, Marieke, ihr kommt sofort rüber!«, schrie Betty plötzlich aus dem Südhaus, worauf sich ihre Kinder an das weit geöffnete Fenster begaben und noch lauter als zuvor die Nationalhymne skandierten.
    Wutentbrannt verließ Betty daraufhin ihre Familie und fuhr zu ihrer kinderlosen Schwester. Jetzt getraute sich endlich auch Heiner, zur fußballbegeisterten Restfamilie zu stoßen.
    Als unwiderruflich feststand, dass es die deutsche Nationalmannschaft trotz einer starken Vorstellung nicht geschafft hatte, Weltmeister zu werden, stieß Tannenberg mit seiner zur Schau getragenen Erleichterung über die Niederlage zunächst auf völliges Unverständnis. Erst als er der sehr verwunderten Familie die Gründe für seine merkwürdige Reaktion darlegte, entspannte sich die Situation wieder.
     
    »So, Leute, was habt ihr für mich?«, fragte Tannenberg in die Runde seiner Mitarbeiter hinein.
    »Bis auf wenige, die nicht zu Hause waren, haben wir alle Anwohner in der Nähe deines Hauses abgeklappert. Morgen früh erledigen Wrenger und Meier III den Rest und befragen auch noch die, die wir heute nicht angetroffen haben. Aber bis jetzt ist da nur eine Sache, die vielleicht interessant ist«, hatte Kommissar Schauß gerade Bilanz gezogen, als Geiger sich vordrängte.
    »Ja, Chef, das hab ich rausgekriegt. Und zwar hat eine Frau Wagner, die in der Beethovenstraße Nummer 41 wohnt, gestern Nacht von ihrem Fenster aus zufällig einen Mann beobachtet, der mit einer Plastiktüte zu Ihrem Haus gelaufen ist.«
    »Zu welchem Haus?«
    »Na, zu Ihrem natürlich, Chef!«
    »Um wie viel Uhr war das?«
    Geiger nahm sein Notizbuch vom Tisch und blätterte darin herum. »Da steht’s: 23 Uhr 30. Sie weiß es deshalb noch so genau, weil sie sich jeden Abend um diese Zeit ihre letzte Insulinspritze setzt.«
    »Wie sah der Mann aus? Was hatte er an?«
    »Genau konnte sie sich daran nicht mehr erinnern. Normal, hat sie gesagt. Als sie das Fenster aufgemacht hat, war er schon weiter weg.«
    »Was heißt denn schon ›normal‹? Da gehst du nochmal hin und fragst nach. Schließlich ist das wichtig. Vielleicht war’s ja der Kerl.«
    »Sonst nichts?«
    Keine Resonanz.
    »Keine weiteren auffälligen Personen?«
    »Ja, doch: Die alte Frau mit dem kleinen Hund. Die hat ein Anwohner gestern Nacht gesehen«, sagte Schauß.
    Tannenberg ging auf diese überflüssige Information nicht ein. »Keine besonderen Geräusche?«
    »Geräusche? Doch!«, rief Geiger.
    »Was? Welche denn?«
    »Der Schrei halt. Den haben viele gehört!«
    »Klasse Ermittlungsergebnis, Geiger, echt! Also, wieder nichts!«, sagte Tannenberg resigniert. »Fragen. Wir brauchen Fragen, die uns weiterbringen. Los, los, werft eure

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