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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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so einer Lappalie? Da mach ich mich nur lächerlich. Zieh das Ding doch einfach raus!«, forderte Tannenberg.
    »Nein, Wolf! Mutter hat recht«, stellte Heiner beharrlich fest.« Die Gefahr durch Zeckenbisse darf man nicht unterschätzen. Ich hab einen Kollegen, der leidet immer noch unter Lähmungserscheinungen im Gesicht. Der sah zeitweise richtig entstellt aus. Am besten gehst du mal hoch in deine Wohnung an einen Spiegel und schaust nach, ob du dir gestern auf deiner Wanderung nicht noch mehr von diesen kleinen Mistviechern eingefangen hast.«
    Tannenberg befolgte umgehend den Rat seines Bruders und baute sich nackt vor dem großen Schlafzimmerspiegel auf.
    Irgendwie hatte er sich körperlich attraktiver in Erinnerung gehabt. Zwar zog er, sofort nachdem er sich seines T-Shirts entledigt hatte, reflexartig den Bauch ein, aber eine positive Wirkung dieser Maßnahme auf das Erscheinungsbild seines degenerierten Männerkörpers, an dem nur allzu offensichtlich der Zahn der Zeit genagt hatte, wollte sich partout nicht einstellen. Obwohl er zu meinen glaubte, noch unübersehbare Hinweise auf seine sportliche Vergangenheit aus seinem Konterfei herauslesen zu können, überwog doch der deprimierende Gesamteindruck des körperlichen Verfalls. Der frustrierende Anblick der über die Hüftknochen hinausquellenden Speckwülste und der, ehemals von Muskelmassen prall ausgefüllten, inzwischen aber nur noch spärlich unterfütterten, faltigen Altershaut erzeugte eine resignative Stimmung, die er gerade an diesem Tag nicht zu akzeptieren bereit war.
    Nach einer kurzen, erfolglosen Suche nach weiteren Zecken schloss er deshalb trotzig die Spiegeltür seines Kleiderschrankes, verhüllte seinen zerfallenden, ehemaligen Adoniskörper schnell wieder mit Textilien und beendete damit diesen unerträglichen autovoyeuristischen Exzess.
     
    »Das ist ja wirklich lustig, Tanne. Da sieht man sich jahrelang überhaupt nicht, und dann fast täglich. Was treibt dich zu mir, alter Kumpel?«, wurde Tannenberg freundlich von Dr. Bohnhorst in dessen Arztpraxis empfangen.
    »Diese blöde Zecke da hinten«, entgegnete Tannenberg und deutete in Richtung seines Genicks. »Weißt du, ich war schon so lange nicht mehr beim Arzt. Ich glaub, meinen alten Hausarzt gibt’s gar nicht mehr. Und da hab ich gedacht, gehst einfach zum Kai. Mehr als rauswerfen kann der dich ja nicht.«
    »Da hast du recht!«, lachte der Arzt und machte sich mit einer Spezialzange an Tannenbergs Genick zu schaffen. »So, das hätten wir schon!«
    »Das ging aber schnell! Wie sieht’s denn aus? Muss ich jetzt Lähmungen oder sowas befürchten?«, fragte der altgediente Hauptkommissar ängstlich.
    »Nein, Tanne, da brauchst du überhaupt keine Angst zu haben. Wenn du ein normaler Patient wärst, bekämst du jetzt natürlich von mir Antibiotika verschrieben, damit ich und die Pharmaindustrie ein bisschen was an dir verdienen. In solch einem frühen Stadium ist es aber völlig unnötig, deinen Körper mit derartigen Medikamentenbomben zu drangsalieren. Da stehen die möglichen Nebenwirkungen in keinem Verhältnis zu der hypothetischen Gefährdung durch so einen kleinen Zeckenbiss. Wobei es bei einem Privatpatienten wie dir natürlich enorm schwer fällt, nicht abzurechnen.«
    »Also gut, dann mal vielen Dank! Vielleicht kann ich mich ja mal irgendwann bei dir revanchieren!«, sagte Tannenberg schnell, ohne über den Inhalt dieser Redefloskel nachzudenken.
    Die Miene des Allgemeinmediziners verdüsterte sich. »Das kannst du schon, Tanne. Du musst nur schnell diesen Drecksack finden. Hast du dich mal draußen in meinem Wartezimmer umgesehen? Tote Hose! Und die Kosten laufen weiter! Das halt ich wirtschaftlich nicht ewig durch. Hoffentlich habt ihr diesen Saukerl bald!«
    »Kai, du kannst mir wirklich glauben, dass wir alles tun, was in unserer Macht steht, um diesen Perversling endlich zu fassen! Deshalb muss ich jetzt auch dringend ins Kommissariat. Nochmals vielen Dank für deine Hilfe!«, sagte Tannenberg zum Abschied und warf beim Verlassen der Praxis noch einen kurzen, prüfenden Blick in das tatsächlich nur mit zwei älteren Männern besetzte Wartezimmer.
     
    Zur gleichen Zeit trippelte Petra Flockerzie im Kommissariat nervös um ihren Schreibtisch herum. Sie hatte alles so schön arrangiert, sich so viel Mühe mit der Tischdekoration gegeben, sogar für Blumenschmuck hatte sie gesorgt. Und nun kam er nicht. Aus lauter Verzweiflung machte sie sich schon über den zweiten

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