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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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lateinischen Spruchs.
    »Schauen Sie sich schon mal in Ruhe um! Ich koche uns derweil mal einen Tee. Einen aus selbst gesammelten Kräutern natürlich!«
    »Danke«, war alles, was Tannenberg zustande brachte, zu sehr zogen ihn die hier dargebotenen optischen Eindrücke in ihren Bann.
    Es war nicht so sehr dieses ausgeprägte Blockhüttenflair, das man hier mit Hilfe von hölzernen Wand- und Deckenverschalungen geschaffen hatte. Das war von ihm nach den Andeutungen von Müller-Clausen irgendwie erwartet worden. Nein, es war dieses heillose Chaos, diese faszinierende Rumpelkammer-Atmosphäre, die ihn zutiefst beeindruckte: Auf dem hellen Dielenfußboden lagen diverse Tierfelle herum, direkt daneben Rinden, nackte Astteile, abgeschlagene Baumpilze, Töpfe und Eimer mit Farnen und anderen Waldgewächsen. Die Wände waren übersät mit gläsernen Kästen, in denen Käfer, Schmetterlinge und andere Kleintiere aufgespießt zur Schau gestellt wurden. Daneben hingen großformatige Fotos mit allen nur denkbaren Waldmotiven. Das optische Spektakel wurde abgerundet durch diverse Jagdtrophäen: Ausgestopfte Raubvögel und Marder, prächtige Hirschgeweihe, präparierte Wildschweinköpfe.
    »Wo sind denn die Pilze? Ich seh zwar nahezu alles, was es im Wald so gibt, nur Pilze sehe ich keinen einzigen. Kein Bild, gar nichts. Ich dachte, Sie sind Pilzexperte«, sagte plötzlich Schauß, der eine lackierte Baumscheibe begutachtend in der Hand hielt.
    »Eine sehr logische Schlussfolgerung, Herr Kommissar! Respekt! Na, dann kommen Sie mal beide mit!« Müller-Clausen stellte die ziegelrote Teekanne auf den Eichentisch, ging zu einer versteckten Tür, die genauso wie die umgebenden Wände mit astigem Nadelholz verkleidet war, und öffnete sie. »Hier, meine Herren, genau so, wie man sich das Refugium eines Pilzexperten vorstellt.«
    Der mit großen, an einen Wintergarten erinnernden Glasflächen versehene Raum war vollgestopft mit Postern und Pilzmodellen, wie man sie aus Biologiesammlungen oder Naturkundemuseen her kennt. Seitlich neben einem breiten Schreibtisch, auf dem eine moderne Computeranlage stand, hatte sich Müller-Clausen anscheinend ein kleines Forschungslabor eingerichtet.
    »Hier versuche ich das, was bei einigen Pilzsorten schon gelungen ist, eben ihre künstliche Anpflanzung und Züchtung außerhalb des Waldes, auch bei den Arten zu erreichen, die sich bislang erfolgreich dagegen zur Wehr gesetzt haben. Dazu brauche ich aber die natürlichen Vegetationsbedingungen, sprich: Wechselnde Luftfeuchte, Temperatur, Lichteinstrahlung und die …«
    »Sagen Sie mal, Herr Müller-Clausen«, unterbrach Tannenberg und deutete in Richtung einer großen Bücherwand hinter dem Schreibtisch. »Sie haben hier doch alle möglichen Unterlagen über Pilze: Bücher, Fotos usw. Besitzen Sie zufällig auch die Serie der Jugendherbergskarten, auf denen Waldpilze abgebildet sind?«
    »Natürlich, Herr Kommissar«, antwortete der Naturfetischist sofort. »Ich kann wohl guten Gewissens behaupten, dass sich in diesem Raum hier so ziemlich alles befindet, was jemals über Pilze publiziert wurde. Ich weiß nur im Augenblick nicht, wo ich dieses Päckchen hingelegt habe …« Der Pilzfachmann begab sich grübelnd zu seiner Fachbibliothek, wurde plötzlich von einer Eingebung heimgesucht und griff zielstrebig in einen verschlossenen weißen Schuhkarton. »Hier, ich hab’s doch gewusst! Ordnung im Chaos! Hätten Sie wohl nicht gedacht?«
    Tannenberg ging auf die Frage nicht ein, sondern öffnete das ihm überreichte Päckchen, zog den Kartenstapel heraus und blätterte die einzelnen Bilder schnell durch. Als er die Fotos des Pfifferlings und des Hexenröhrlings erblickte, war er merkwürdigerweise erleichtert, obwohl es natürlich für die Ermittlungen äußerst vorteilhaft gewesen wäre, wenn gerade diese beiden Karten gefehlt hätten.
    »Dürfen wir das Päckchen behalten?«, fragte der Leiter der SOKO ›Pilze‹, nachdem die drei Männer auf abgeschnittenen Baumstümpfen Platz genommen hatten.
    »Ja, aber ich hätte es irgendwann gerne vollständig und unversehrt zurück. Es ist nämlich mein einziges.«
    »Versprochen! Entschuldigen Sie, Herr Müller-Clausen, wenn ich nochmal auf diese zwei völlig unterschiedlichen Wohnungsbereiche in Ihrem Haus zurückkomme. Es ist für einen Außenstehenden schwer zu verstehen …«
    »So schwer zu verstehen ist das doch gar nicht, Herr Kommissar«, unterbrach der Pilzexperte. »Ich war früher Laborleiter in

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