Pinguin Mord
Dr. Dirkes,
der Notarzt, neben ihn. Stichwortartig nannte er dem Kommissar die
Fakten: ein Toter, männlich, Anfang sechzig. Schussverletzung
und Kollision mit einem größeren stumpfen Gegenstand;
vermutlich einem Fahrzeug. Anscheinend war das Opfer auch noch von
einem Auto überrollt worden. »Gründliche Arbeit,
Kommissar«, schloss Dr. Dirkes seinen Bericht. »Erst
haben sie den armen Kerl angeschossen, dann umgefahren und
schließlich auch noch überrollt.«
»Da wollte
jemand wohl sichergehen, dass das Opfer wirklich tot
ist.«
»Das kann ich
nicht bestätigen«, erwiderte Dirkes und zog die
Mundwinkel nach unten.
»Denken Sie, es
war ein Unfall?«, fragte Ulbricht voller Ironie.
Der Notarzt
überhörte die Spitze. »Was auch immer die Ursache
war - jetzt sind die Kollegen der Düsseldorfer Rechtsmedizin
an der Reihe. Und Sie dürfen sich um den Täter und sein
Motiv kümmern.«
»Ich werde es
herausfinden.«
»Dann viel
Erfolg.«
»Dafür gibt
es das Team des Kriminalkommissariats 11.« Der Notarzt machte
sich einige Notizen, bevor er die Männer vom
Bestattungsinstitut herbeiwinkte. »Ich wäre dann fertig.
Im Totenschein habe ich ›Todesursache ungeklärt‹
angekreuzt, das ist also ein Fall für die Kollegen der
Rechtsmedizin.« Eine reine Formsache, denn immerhin hatte die
erste Leichenschau schon den Schluss zugelassen, dass es sich hier
um keinen natürlichen Tod handelte. Doch weitere Details
würde erst die Obduktion des Leichnams ergeben, so wollte es
das Gesetz.
Ulbricht blickte sich
auf dem Parkplatz um. Er versuchte, erste Schlüsse zu ziehen.
In seinem Rücken lag die Stadthalle. Prunkvoll angeleuchtet,
und aus dem Inneren drangen gedämpft die Klänge der
Wuppertaler Symphoniker. War das Opfer dort zu Gast gewesen? So wie
es aussah, hatte der Tote das Konzert in der Stadthalle vorzeitig
verlassen - warum auch immer. Auf dem Weg zu seinem Wagen war er
zuerst angeschossen und anschließend auch noch
überfahren worden. Der Anblick der Leiche war nichts für
schwache Nerven, doch der Kommissar hatte in seiner Laufbahn als
leitender Ermittler bei der Wuppertaler Mordkommission schon zu
viele Leichen gesehen, als dass sich ihm beim Anblick des Opfers
der Magen umdrehte. Er sehnte sich nach einer Zigarette.
Nervös fummelte er in der Tasche seines zerknitterten
Trenchcoats herum und marschierte auf und ab. »Macht mal hin,
Kollegen«, bellte Kommissar Ulbricht und versenkte die
Hände in den Taschen seiner altmodischen Bundfaltenjeans.
»In einer knappen Stunde ist das Konzert zu Ende, und dann
strömen die Besucher zum Parkplatz. Ich will, dass wir
bis dahin von
der Bildfläche verschwunden sind.« Er wandte sich seinem
Assistenten zu. Frank »Brille« Heinrichs, ein
pickelgesichtiger Endzwanziger mit blassem Teint und bereits
lichtem, blondem Haar. Das Markanteste an seinem nichtssagenden
Äußeren war die topmoderne Brille - daher auch sein
Spitzname. Ulbricht hasste es, wenn sie ihm einen Assistenten
zuteilten, der ihn mehr von der Arbeit abhielt, als dass er ihm
eine Hilfe war. Am liebsten ermittelte er alleine. Doch das schien
»Brille« nicht zu interessieren. Seine kleinen
Schweinsaugen musterten ihn neugierig. Ulbricht hasste diesen
hinterlistigen Blick. »Sie und ein paar uniformierte Kollegen
bleiben hier und befragen die Besucher des Konzerts. Klären
Sie, ob ihnen etwas aufgefallen ist, ob jemand wusste, warum das
Opfer das Konzert vorzeitig verlassen hat, wenn er denn
überhaupt drin war, und und und. Aber
diskret!«
»Aber sicher,
Chef.«
Unauffällig warf
Ulbricht einen Blick auf die Armbanduhr. Es wurde höchste
Zeit. »Ist noch was?«
Heinrichs nickte.
»Die Identität des Toten steht fest.«
»Und?«
»Es handelt sich
um Karlheinz Kötter, den Baulöwen.«
»Verdammt.« Ulbricht
blickte zu den Männern vom Bestattungsinstitut hinüber,
die den Leichnam gerade in einen Zinksarg legten, um ihn zur
Rechtsmedizin nach Düsseldorf zu bringen. »Ausgerechnet
der. Einer wie er hatte sicherlich einen ganzen Ar…, eine
ganze Menge Feinde. Das kann dauern, bis wir den Täter haben,
fürchte ich. Gibt es Zeugen?«
Kopfschütteln.
Heinrichs druckste herum und ging Ulbricht damit gehörig auf
die Nerven. »Außer den Parkplatzwächtern
eigentlich nicht.«
»Wieso
eigentlich?«
»Die
Parkplatzwächter haben von einer Frau gesprochen, die sich
unmittelbar vor der Tat mit dem Opfer angeregt unterhalten
hat.«
»Name?
Adresse?«
»Negativ.
Nichts, aber da ist noch
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