Pinguin Mord
ist tot. Sie
haben ihn umgebracht. Einfach so
umgebracht.«
Bode betrachtete die
Frau. Sie war Mitte dreißig, hatte langes schwarzes Haar und
trug elegante Abendgarderobe, die jetzt verschmutzt und
beschädigt war. Das Haar hing ihr strähnig ins verweinte
Gesicht. »Kommen Sie«, sagte er und versuchte, ihr
aufzuhelfen. Kraftlos lehnte sie sich an ihren Wagen und barg das
Gesicht in den Händen. Am Zucken ihrer Schultern konnte Bode
erkennen, dass sie lautlos weinte. »Mein Kollege hat bereits
die Polizei und den Notarzt gerufen. Sie müssten jeden Moment
hier sein.«
»Er ist
tot«, murmelte die Frau immer wieder, lehnte am
Kotflügel ihres BMW Z3 und blickte hinüber zu dem Mann,
der leblos auf dem Pflaster lag.
Bode nickte.
»Ja, er hatte wohl keine Chance. Über die Monitore
konnten wir alles beobachten.« Hinter ihm ertönte ein
Martinshorn. Blaulicht zuckte über den Platz. Der Notarztwagen
stand vor der Schranke. Bode wandte sich zu der jungen Frau um.
»Kommen Sie einen Moment alleine klar?«
Sie nickte. Ihr
Gesichtsausdruck glich einer Maske. Starr und kalt. »Gehen
Sie.«
Bode lächelte
matt und rannte über den Platz, um dem Notarztwagen die
Schranke zu öffnen. Im nächsten Augenblick heulte hinter ihm ein Motor
auf. Erschrocken fuhr er herum. »Was macht die denn
jetzt!«, gellte er. Die Frau war schneller, als er es ihr
zugetraut hätte, in ihren Wagen gestiegen und hatte den Motor
gestartet. Sie trat das Gaspedal bis zum Boden durch. Die Reifen
radierten auf dem nassen Untergrund, dann griffen die Pneus, und
der Wagen machte einen Satz nach vorne. Schlingernd raste das
Cabrio auf die nun freie Ausfahrt zu. Der Rest der Schranke hing
wie der Stumpf eines amputierten Arms in der Halterung. Das Letzte,
was Bode von dem Z3 sah, waren die Rücklichter, die unter
Protest eines anderen, laut hupenden, Verkehrsteilnehmers in der
Nacht verschwanden. »Sie ist abgehauen - einfach so
…« Bode schüttelte ungläubig den Kopf. Ein
düsterer Verdacht beschlich ihn. Möglicherweise hatte die
Frau Dreck am Stecken und war vielleicht gar kein
bemitleidenswertes Opfer in diesem tödlichen
Spiel…
5
Donnerstag, 22:10 Uhr,
Tatort Schwimmoper
Kurz nach zehn Uhr am
Abend erreichte er den Tatort. Nur ein einziges Feierabendbier
hatte er sich gegönnt, dann hatte das Telefon ihn zurück
in die Realität geholt. »Mord am Johannisberg«,
hatten ihn die Kollegen des Polizeipräsidiums informiert. Also
war Norbert Ulbricht, obwohl er es sich bereits im Schlafanzug in
seiner kleinen Mietswohnung in der Straße ,An der Bergbahn 1
vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatte, ins Bad marschiert
und hatte sich das Gesicht mit kaltem Wasser abgespült, bevor
er sich müde und schlechtgelaunt wieder angezogen hatte. Es
war eine feuchtkalte Nacht. Erkältungswetter. Viele Ampeln der
Stadt waren bereits abgeschaltet gewesen, und so hatte die Fahrt
nach Elberfeld kaum eine Viertelstunde gedauert. Am Tatort hatte
ihn die übliche Szenerie empfangen. Absperrband der Polizei
rund um den Leichenfundort, uniformierte Polizisten, die ihn erst
nach Vorzeigen seines Dienstausweises zum Tatort durchgelassen
hatten, und die Beamten von der Spurensicherung. »Ulbricht
vom KK 11«, stellte er sich dem Notarzt vor.
Das Kriminalkommissariat elf war zuständig für
Tötungsdelikte und schwere Körperverletzung. Der Arzt,
ein dunkelhaariger Hüne Mitte vierzig, nickte Ulbricht knapp
zu und widmete sich wieder seiner Arbeit.
Missmutig betrachtete
»Kommissar Verdammt«, wie er hinter seinem Rücken
genannt wurde, die Männer in den weißen Overalls. Den
Spitznamen hatten ihm Journalisten gegeben, weil
»verdammt« sein Lieblingswort zu sein schien und er es
viel zu oft benutzte. Blaulicht zuckte gespenstisch durch die kalte
Nacht und tauchte die Umgebung in ein geisterhaftes Licht. Auf der
anderen Straßenseite blickten einige neugierige Anwohner aus
den Fenstern. Tausende Regentropfen reflektierten die
unzähligen blauen, gelben und weißen Lichter. Es war
spät, er fror erbärmlich, und im Fernsehen lief gerade
ein Fußballspiel, als das verdammte Telefon geklingelt hatte.
Er hatte sich auf einen weiteren einsamen Abend vor dem Fernseher
eingestellt, hätte dabei zwei bis zwölf Bier vernichtet
und wäre müde, angetrunken und über seine Einsamkeit
frustriert ins Bett gewankt, um sich auszuschlafen für den
nächsten Arbeitstag im Polizeipräsidium. Doch manchmal
kam es anders, als man dachte, und dann hasste er seinen
Job.
Jetzt trat
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