Pinguin Mord
am Johannisberg aus
verschiedenen Perspektiven zeigte. Er wusste längst nicht
mehr, wie oft er sich die Aufzeichnung angesehen hatte. Ruhelos
wanderte er durch sein Büro, das in einem der oberen
Stockwerke im Wuppertaler Polizeipräsidium an der
Friedrich-Engels-Allee lag. In seinem Büro stand ein alter
Schreibtisch mit einem klapprigen Sessel dahinter. Davor zwei
ebenso klapprige Besucherstühle aus einfachem Holz, rechts und
links an den Wänden deckenhohe Aktenschränke und ein fast
zwei Meter hoher Gummibaum, der in einer Ecke neben dem Fenster zur
Straße ein trauriges Dasein fristete. Der Aschenbecher auf
seinem Schreibtisch quoll über. Ulbricht griff nach der
kleinen Plastikkanne, füllte sie am Waschbecken in der Ecke
des Büros und goss den Ficus. Er zuckte zusammen, als die
Tür aufflog und an die dahinter liegende Wand knallte, um
langsam zurückzupendeln. Wie von der Tarantel gestochen fuhr
er herum und blickte in das Gesicht seines Assistenten. »Sind
Sie bescheuert, verdammt noch mal? Wollen Sie, dass ich einen
Herzinfarkt kriege?«
Heinrichs ging nicht
auf den Anraunzer seines Vorgesetzten ein. »Und?«
Grinsend hatte er das Büro betreten, ohne
anzuklopfen.
»Haben Sie etwas
entdeckt?« Er deutete mit dem Kinn auf den Computermonitor,
auf dem die Aufzeichnungen der Überwachungskameras
liefen.
Wurde dieser Kerl denn
nie müde?, fragte sich Ulbricht und unterdrückte ein
mürrisches Knurren. Die schlaflose Nacht zollte ihren Tribut.
Ulbricht gähnte herzhaft und streckte sich. Er stellte die
angestaubte Plastikgießkanne auf die Fensterbank zurück
und ließ sich mit einem schweren Seufzer in seinen Sessel
sinken. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und
betrachtete seinen Assistenten.
Heinrichs
lümmelte sich auf einen der beiden wackligen
Besucherstühle und kaute auf den Fingernägeln, ohne den
Kommissar aus den Augen zu lassen. »Die Fahndung nach dem BMW
läuft auf Hochtouren.«
»Die Karre kann
doch nicht vom Erdboden verschwunden sein«, wetterte
Ulbricht. »Wem gehört die Kiste eigentlich?« Er
gähnte. »Einer jungen Frau hier aus
Wuppertal.«
»Waren schon
Kollegen bei ihr und haben sie befragt?«
»Das geht leider
nicht. Das Haus der alleinstehenden Frau steht seit geraumer Zeit
leer. Sie sei verreist, haben Nachbarn unseren Kollegen
erzählt. Niemand weiß, wo sie sich aufhält. Sie ist
recht wohlhabend, wohnt an der Stadtgrenze zu
Neviges.«
Ulbricht dachte
angestrengt nach und murmelte: »Vielleicht ist die Halterin
auch gar nicht die Frau, die am Tatort mit dem Auto erschienen ist.
Vielleicht hat sich die Fahrerin den Wagen nur geliehen. Eine
Verwandte, eine gute Freundin - was weiß
ich?«
»Jedenfalls ist
der Wagen nicht als gestohlen gemeldet«, erwiderte Heinrichs.
»Das haben wir doch schon längst
gecheckt.«
»Natürlich.«
Ulbricht erhob sich und marschierte weiter durch sein Büro.
Nachdenklich starrte er dabei auf den Fußboden. Minutenlang
schien er die Anwesenheit seines Assistenten vergessen zu haben.
Nur der Motorenlärm der vielbefahrenen Friedrich-Engels-Allee
durchschnitt das Schweigen. Irgendwo in einem der Nebenräume schlug
ein Telefon an. Jemand schnäuzte sich lautstark die
Nase.
Heinrichs
räusperte sich. »Und?«, fragte er, an Ulbricht
gewandt. »Was meinen Sie, Chef?«
Wenn Ulbricht eins
hasste, dann, wenn man ihn mit »Chef" anredete. Ein
unwilliges Brummen kam über seine Lippen. »Was wollen
Sie hören, Heinrichs? Die Frau muss mit dem Mord in Verbindung
stehen.«
»Danke,
Chef.« Brille strahlte.
»Was hat die
Befragung der Gäste ergeben?«
»Nicht viel. Ein
junger Mann hat Kötter während des Konzerts gesehen. Er
hat zufällig neben ihm gesessen und ein paar Worte mit ihm
gewechselt.« Heinrichs blätterte in seinem Notizblock.
»Er sagte aus, dass Kötter nicht gerade gut gelaunt war
und es plötzlich sehr eilig gehabt zu haben schien. Es schien,
als ob ein Termin ihn gezwungen hätte, die Stadthalle
vorzeitig zu verlassen.«
»Dünn.« Ulbricht
zerquetschte einen Fluch auf den Lippen. »Sehr dünn,
aber immerhin wissen wir jetzt, dass Kötter im Konzert war und
es vorzeitig aus irgendwelchen Gründen verlassen
hat.«
»Mir wäre
es lieber, wenn wir wüssten, warum«, erwiderte der
Kommissar. »Einen Termin konnte er jedenfalls nicht mehr
wahrnehmen, weil er ermordet wurde. Es sei denn
…«
»Es sei denn, er
hatte eine Verabredung auf dem Parkplatz der Stadthalle, vielleicht
sogar mit seinen Mördern«, beendete Heinrichs
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