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Pinguin Mord

Pinguin Mord

Titel: Pinguin Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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berührte sie ihn und fuhr ihm zärtlich durch das
dichte, wellige Haar, so, wie er es liebte.
    Robert Gatz stand vor
einem Rätsel. Lange schon hatte er den Verdacht, dass sie
einen anderen Mann kennengelernt hatte und ihm fremdging. Seitdem
er arbeitslos war, war Gatz in ein tiefes Loch gefallen. Fast
täglich fuhr er zum Arbeitsamt an der
Hünefeldstraße, um einen Job zu ergattern. Vergeblich -
und das, obwohl er mit seinen neununddreißig Jahren bestimmt
nicht zu alt zum Arbeiten war. Vermutlich war er aber schon zu alt
für den Arbeitsmarkt in Wuppertal. Die Sachbearbeiter bei der
Arbeitsvermittlung waren überfordert und nicht in der Lage,
ihn an einen neuen Arbeitgeber zu vermitteln. Wenn das so
weiterging, war er, bevor er sich versah, Hartz IV-Empfänger.
Und davor hatte er eine panische Angst. Denn was das bedeuten
würde, wusste er. Einsparungen, Verzicht und ein Leben unter
der Aufsicht der Behörden. Er müsste dem Amt Rechenschaft
ablegen über jeden Schritt, den er fortan tun würde.
Nein, das hatte wahrlich nichts Menschliches mehr. Er wusste, dass
er seiner Frau nichts mehr bieten konnte. Thea mochte schöne
Dinge und kleidete sich gern elegant; früher waren sie oft
essen gegangen und hatten schöne Urlaube gemacht. Doch das
alles war gestrichen, seitdem er den Job verloren hatte. Hatte sie
sich deshalb von ihm abgewandt? Bedeuteten ihre Liebe und all die
Jahre, die sie gemeinsam verbracht hatten, plötzlich nichts
mehr für sie?
    Heute würde er
sie zur Rede stellen.
    Oft schon hatte er
sich vorgenommen, mit ihr über ihr Verhalten zu sprechen, doch
ihm hatte der Mut gefehlt. Die Arbeitslosigkeit hatte ihn zu einem
seelisch labilen Wrack werden lassen. Die Liebe zu Thea war alles,
was ihm geblieben war, und unter ihrer Veränderung litt er.
Deshalb war er in den letzten Wochen jeglicher Konfrontation aus
dem Weg gegangen. Lieber hatte er getrunken - zu viel
getrunken, um ruhig schlafen zu können. Wie oft er in den
letzten Wochen schweißgebadet mitten in der Nacht aufgewacht
war, konnte er schon nicht mehr zählen. Sein Leben war ein
einziger Scherbenhaufen. Und wenn ihm jetzt noch die Bank wegen
nicht gezahlter Raten den Kredit kündigte, war er
endgültig ein Fall fürs Sozialamt. Die Miete war fast
drei Monate im Rückstand, und letzte Woche hatten sie ihm fast
den Strom abgedreht. Er fühlte sich leer und ausgebrannt.
Robert Gatz stand vor dem Abgrund. Wenn Thea nicht wäre
… er dachte diesen Satz lieber nicht zu Ende. Er klammerte
sich an das, was ihm von ihr geblieben war, klammerte sich an die
letzten Überbleibsel ihres gemeinsamen Glücks. Doch heute
würde er mit ihr reden.
    In einer Stunde
würde sie von der Arbeit kommen. Ruhelos wie ein Tiger in
seinem Käfig marschierte er durch die Mietwohnung. Im
Wohnzimmer blieb er am Fenster stehen und blickte hinunter auf die
Straße. Auf der anderen Straßenseite befanden sich die
Geschäftsräume einer Bank. Wie oft hatte er in den
letzten Tagen mit dem Gedanken gespielt, diese Bank zu
überfallen. Er hatte auf die ehrliche Art versucht, Geld zu
verdienen, hatte alles dafür gegeben, ihnen ein sorgenfreies
und finanziell unabhängiges Leben zu ermöglichen. Und er
war bitter enttäuscht worden. Abserviert von den Bossen in der
Chefetage, die seinen Posten wegrationalisiert hatten. Nein, dachte
er verbittert, auf die ehrliche Art konnte man es in diesem
beschissenen Land offenbar zu nichts mehr bringen. Aber er war
nicht kriminell. Den Unterschied zwischen Gut und Böse kannte
er sehr wohl. Daran änderte auch sein derzeitiges Dilemma
nichts. Immerhin hatte Thea ihren Job noch. Seit er arbeitslos war,
schob sie im Bistro Sonderschichten und nahm jede Überstunde
mit. Sie brauchten jeden Cent, und Thea arbeitete wie eine
Besessene, um ihr Überleben zu retten. Sie hätte es
sicherlich leichter gehabt, wenn sie einfach abgehauen wäre
und sich mit einem anderen Mann ein neues Leben aufgebaut
hätte. Aber sie war bei ihm geblieben, wenn auch
zähneknirschend.
    Sie arbeitete auch
samstags und sonntags im Bistro in der Barmer City. Sicherlich
hatte sie dort auch Kontakt zu zahlreichen gutaussehenden
Männern. Eifersucht keimte in ihm auf. Robert Gatz
verdrängte den Gedanken an Theas männliche Gäste und
versuchte sich auf das Gespräch vorzubereiten, das er heute
mit ihr führen würde. Da war er wieder, der stechende
Schmerz in seiner Brust. Gatz wusste sehr wohl, was das zu bedeuten
hatte. Ein Alarmsignal, ein Hilferuf seines Körpers.

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