Pinguin Mord
zierliche Frau. Jessica
Wittwer spürte einen brennenden Schmerz in ihrem Rücken
und wand sich vor Schmerzen unter Stefans Last. Sie rang nach Luft.
Spitze Glassplitter bohrten sich in ihren Rücken. Sicherlich
waren lebenswichtige Nerven durchtrennt worden, und sie würde
den Rest ihres Lebens im Rollstuhl verbringen müssen. Der
brennende Schmerz wich einer nie da gewesenen Taubheit. Allein der
Gedanke an eine mögliche Lähmung raubte ihr den Atem.
Ihre Lunge brachte nichts außer einem asthmatischen
Röcheln zustande. War das die Strafe für
…?
Nein, sie liebte Karl
doch über alles. Und jeden Gedanken an einen Seitensprung
versuchte sie in diesen Sekunden ungeschehen zu machen.
Draußen
brüllte der Motor des Jaguar auf wie ein getretenes Tier, dann
quietschten die Reifen, und das Motorgeräusch entfernte sich.
Stefan erhob sich schwerfällig und blickte vorsichtig aus dem
Fenster. Er sah im letzten Moment, wie der dunkle Jaguar über
die Goebenstraße und dann talwärts verschwand. Über
die Katernberger Straße würde er schnell in alle
Richtungen verschwinden können. Jetzt tat sich etwas auf der
Straße. Erschrockene und neugierige Nachbarn traten auf den
Bürgersteig, blickten zur Villa hinauf und unterhielten sich
angeregt. Eine alte Dame gestikulierte aufgeregt.
Stefan wandte sich zu
Jessica Wittwer um und half ihr auf die Beine. »Wie geht es
Ihnen?«
Jessica Wittwer
schmeckte das Salz ihrer Tränen. »Was … was war
das?«, wimmerte sie. Ihre Brüste hoben und senkten sich.
Sie wandte den Kopf zur Seite und blickte ihn aus
angsterfüllten Augen an. Ihr Kleid war hochgerutscht, und
eilig strich sie den dünnen Stoff glatt. Ihre Kehle war
trocken, sie schluckte. Die junge Frau fühlte sich, als
wäre sie soeben gestorben. »Bitte«, flüsterte
sie. »Sagen Sie mir, was das war?« Tränen rannen
über ihr hübsches Gesicht.
Stefan strich ihr eine
Haarsträhne aus der Stirn. »Die Irren, so, wie Sie diese
Leute genannt haben. Die sind mehr als einfach nur irre.« Er
klopfte sich einige Glassplitter aus der Kleidung und blickte sich
um. Das Wohnzimmer sah aus, als hätte eine Bombe
eingeschlagen. Glassplitter, so weit das Auge reichte. Dunkle,
feuchte Flecken übersäten den edlen Holzfußboden.
Gott sei Dank war Jessica Wittwer nicht in die Scherben seines
Glases gefallen. »Sind Sie okay?«
Jede Bewegung
bereitete ihr Höllenqualen, doch sie rang sich ein müdes
Lächeln ab. »Ich nehme alles zurück. Das sind nicht
einfach nur Irre. Recht haben Sie. Das sind Psychopathen, nein, das
sind eiskalte Killer. Was war das gerade?«
»Vermutlich der
geplante Mordanschlag auf Ihren Mann.«
*
»Was
ist?«, rief Heike, ohne den Blick von der Fahrbahn zu nehmen.
»Was ist denn los? Bist so blass!« Sie
grinste.
»Nichts.«
Peer versuchte ein mattes Lächeln, das jedoch schändlich
misslang. Gern hätte er beschwichtigend die Hände
gehoben, doch dazu hätte er die Hände von dem Haltegriff
über dem kleinen Handschuhfach nehmen müssen, und das
wollte er bei Heikes Fahrstil lieber nicht riskieren. Der kleine
Motor im Heck von Stefans heiß geliebtem
»Clemens« heulte auf. Heike kurbelte wie wild am
Lenkrad und hatte zeitweise Mühe, den Käfer auf der
Straße zu halten. Nachdem sie Stefan in seiner Wohnung nicht
angetroffen hatten, gab es nur ein Ziel: Die Privatadresse der
Wittwers. Stefan hatte den Spediteur gestern Vormittag in seinem
Betrieb besucht und nichts erreicht. Also vermutete Heike, dass er
versucht haben könnte, ihn in seinem Haus zu besuchen. Der Weg
war nicht weit. Dennoch wollte Heike anscheinend einen neuen
Streckenrekord aufstellen. Mit quietschenden Reifen bog sie von der
Katernberger Straße links ab. Der Käfer nahm den Berg an
der Moltkestraße ohne große Mühe. Das
Villenviertel aus der Wuppertaler Gründerzeit hatten sie
erreicht. Jetzt bogen sie rechts in die Goebenstraße
ab.
»Da!«,
gellte Peers Stimme nach einer scharfen Linkskurve durch das
Wageninnere. Er riss aufgeregt die rechte Hand hoch und deutete auf
ein altes Herrenhaus, das sich auf einer kleinen Anhöhe
befand. Eine kleine Gruppe Neugieriger stand vor dem
eingezäunten Grundstück. Eines der Fenster war geborsten.
Was immer auch hier passiert war, plötzlich hatte Heike Angst
um Stefan. Sie wendete, riss das Steuer nach rechts, zirkelte den
Käfer in eine viel zu kleine Parklücke und blieb
schräg zur Fahrtrichtung stehen. Bevor sie den Motor
abschaltete, ließ sie die Kupplung
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