Pinguin Mord
Doch
es war ihm scheißegal, wer ich bin und was aus seiner
unehelichen Tochter geworden ist. Donnerstag endlich wollte ich ihn
dann persönlich kennenlernen. Von seiner Sekretärin hatte
ich unter einem Vorwand erfahren, wo er sich abends aufhielt. Da
war dieses Konzert in der Stadthalle. Deshalb war ich nicht im
Bistro. Ich war unterwegs, um…«
»… um
deinen Vater zu treffen? Warum hast du mir das nicht
gesagt?«
»Ich war noch
nicht so weit.«
»Wo ist dein
Vater jetzt?«
»Er ist tot.
Ermordet, letzten Donnerstag, bei unserem Treffen. Und ich musste
alles mit ansehen.« Dann brach Thea schluchzend zusammen, und Robert
Gatz wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte …
Das Schrillen der
Türglocke riss ihn aus den Gedanken. Robert Gatz nahm seine
Frau stumm in den Arm. Bevor er zur Tür ging, tauschte er
einen Blick mit Thea. Seitdem sie permanent knapp bei Kasse waren,
brachten unangemeldete Besucher fast immer unangenehme Nachrichten.
Deshalb hatten sie sich angewöhnt, gar nicht mehr zu
öffnen, wenn sie keinen Besuch erwarteten.
Da weder
Gerichtsvollzieher noch Inkassounternehmen sonntags arbeiteten,
bestand relativ wenig Gefahr, einen ungebetenen Gast zu empfangen.
»Ich erwarte niemanden«, flüsterte Thea dennoch.
Robert löste sich von ihr und tappte auf Socken zur
Haustür. Er warf einen Blick durch den Türspion nach
draußen. Dort stand ein adrett gekleideter Mann Anfang
vierzig mit kurzen dunklen Haaren und einer silbernen Brille. Trotz
der unerträglichen Hitze trug er einen dunklen Anzug und eine
modische Krawatte. Was wollte ein Geschäftsmann an einem
Sonntag von ihnen?
Seine innere Unruhe
wuchs, und sofort spürte er wieder diesen stechenden Schmerz
in der Brust. Robert Gatz hielt den Atem an. Anscheinend hatte der
Besucher nicht bemerkt, dass Gatz ihn durch den Spion beobachtete.
Er drückte ein weiteres Mal den Klingelknopf. Gatz, der genau
unter dem Gong stand, zuckte zusammen und wandte sich zu Thea um.
Sie stand im Türrahmen der Küche und warf ihm einen
fragenden Blick zu, den er mit einem Schulterzucken beantwortete.
Einem inneren Impuls folgend öffnete er schließlich die
Wohnungstür. »Wir wollen nichts mit den Zeugen Jehovas
zu tun haben«, sagte er unwirsch und wollte die Türe
schon wieder zuschlagen, als der Fremde eine Hand hob und
freundlich lächelte.
»Guten
Tag«, sagte der Besucher schnell und lächelte
freundlich. »Keine Angst, ich komme nicht von den Zeugen
Jehovas. Aber vielleicht können Sie mir helfen: Ich suche eine
Frau Thea Gatz, finde ich sie bei Ihnen?«
»Was wollen Sie
von ihr?« Gatz beantwortete die Frage des Fremden mit einer
Gegenfrage. Was wollte dieser Schlipsträger von seiner
Frau?
»Es geht um eine
gemeinsame Bekannte, Peggy Bach. Sie ist mit Frau Gatz
befreundet.«
»Thea Gatz ist
meine Frau.« Robert Gatz machte den Eingang frei und wandte
sich zu seiner Frau um. »Thea, Besuch für dich!«
Thea nickte und bat den Besucher herein. Sie nahmen im Wohnzimmer
Platz. Gatz verschloss das Wohnzimmerfenster. Augenblicklich drang
der Verkehrslärm von der Langerfelder Straße nur noch
gedämpft an ihre Ohren. Gatz war stehen geblieben. Er
schaltete den Fernseher aus und betrachtete den Besucher, der
offensichtlich sogar an einem Sonntagnachmittag in bulliger Hitze
auf korrekte Kleidung Wert legte. Thea fragte ihn, ob er etwas
trinken wolle.
»Ein kaltes
Wasser wäre toll.« Der Besucher nickte dankend. Thea
verschwand in die Küche, brachte für sich und den Fremden
zwei Glas Wasser mit Eis und für Robert eine Dose Bier. Gatz
nickte ihr dankbar zu, riss der Verschluss auf und nahm einen
tiefen Schluck. Dann drehte er die Dose zwischen den Händen.
Nachdenklich verrieb er den Beschlag, der sich auf dem dünnen
Weißblech gebildet hatte. Nach einem weiteren Schluck
murmelte er eine Entschuldigung und blickte den Besucher mit
lauerndem Blick an.
Dieser bemerkte den
Blick. »Entschuldigen Sie, dass ich mich noch nicht
vorgestellt habe: Ich bin Peer Finke.«
»Woher kennen
Sie Peggy?«
»Wir waren vor
ewiger Zeit gemeinsam in der Tanzschule.« Finke lächelte
versonnen. Von seiner Beziehung zu Peggy und den
Hochzeitsplänen erwähnte er nichts. Er wollte keine alten
Wunden in seiner eigenen Seele aufreißen, und außerdem
wusste er nicht, was Peggy Thea Gatz von ihm erzählt hatte,
immerhin war sie eine gute Freundin von Peggy. »Na ja, in den
ganzen Jahren hat sich eine Freundschaft
entwickelt.«
Gatz ließ sich
jetzt doch in den
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