Pinguine frieren nicht
ist in der Tonne obendrauf. Nach ihm kam nichts mehr dazu.«
»Ich brauche auch eine größere Tasche«, sagte Viktor und sah im Geiste vor sich, wie er in dieser Tasche Mischa-Pinguin davontragen würde.
»Ich gebe dir eine Plane, und du nähst dir eine!«
Im Zimmer zog Viktor unter seinem Bett die Tüte mit der Aufschrift ›Marlboro‹ heraus, legte sie sorgsam zusammen und steckte sie in die Jackentasche. Er betrachtete den schlafenden Wasja. Der Rotschopf träumte offenbar etwas Schönes, seine vollen Lippen bewegten sich kaum merklich und kehrten immer wieder zu einem zärtlichen angedeuteten Lächeln zurück.
In der Krematoriumsbaracke ging Viktor zu der Blechtonne, die fast bis zum Rand mit Asche gefüllt war, die niemand abgeholt hatte. Er faltete die Marlboro-Tüte auf, [343] nahm die an die Holzwand gelehnte Schaufel und füllte die Tüte fast bis zur Hälfte mit Asche. Er hob die Tüte an, und es erschien ihm noch zu wenig. Wieder fuhr er mit der Schaufel in die Tonne und hörte im gleichen Moment ein Klirren – die Schaufel war auf Metall gestoßen. Viktor packte noch eine Ladung in die Tüte, dann griff er in die Tonne und zog den vertrauten Goldbarren heraus. Hier also hatte Sewa ihn versteckt und ganz richtig überlegt, daß in der Asche keiner nach irgendwas suchen würde. Der Barren wog schwer, vielleicht sieben Kilo, wenn nicht mehr.
Mit der Tüte in der einen und dem Barren in der anderen Hand trat Viktor aus der Baracke und blieb erst mal stehen, stellte die Tüte in den Schnee und betrachtete das gegossene Gold genauer. Er fuhr mit der Hand über die rauhe Oberfläche, fegte den dunklen Aschestaub fort und sah Einsprengsel von Edel- oder Halbedelsteinen und noch einen anderen Fremdkörper, elfenbeinfarben, klein, der ihn an irgendwas erinnerte. So stand er eine Weile. Dann ließ er den Barren in die Tüte mit der Asche rutschen und hob das Ganze mit beiden Händen von unten, damit die Henkel nicht abrissen. Er ging zurück zum Haus und lauschte auf den Schnee, der unter seinen Füßen knirschend einbrach.
63
Noch ein ›fetter‹ Freitag kam und ging, und Viktor verlor den Appetit. Er und der Rotschopf hatten sich perfekt aufeinander eingespielt. Alles ergab sich erstaunlich einfach [344] und angenehm, und nichts an Wasja störte Viktor, nie redete er dumm daher. Er begegnete Viktor wie der frische Rekrut dem Ältesten, mit dem üblichen Armeegehorsam und der Bereitschaft, jeden beliebigen Befehl auszuführen. Und es wurde sogar ein guter Kommandeur aus Viktor. Irgendwann erklärte Wasja, nach seiner ganzen jüngeren Vergangenheit, der Kampfeinheit in Mosdok mit ihren Sitten und der Grube bei den Tschetschenen mit ihrer Kälte und dem Hunger, sei diese Arbeit in der ›Offshore‹-Zone das reinste Fest.
In der Baracke war es jede Nacht heiß wie in der Sauna. Nur schmeckte diese Hitze unangenehm und war zu trocken, darum wanderten Viktor und Wasja von Zeit zu Zeit hinaus in die Kälte und verbrachten so die Nacht mit friedlichen Gesprächen. Manchmal blickten sie hinauf in den plötzlich von Schneewolken blank gewehten tschetschenischen Himmel. Die Sterne an diesem Winterhimmel waren nicht kleiner als die südlichen Sterne der Ukraine und die nördlichen von Archangelsk. Die Sterne waren für alle gleich, und mochten die Tschetschenen es auch nicht anerkennen – auch die Sonne hatten sie ja mit den Russen und Ukrainern gemeinsam, und den Mond. Viktor kehrte in Gedanken zu Chatschajew und seinem Versprechen zurück und seufzte tief.
Und als am Montag die frühe Abenddämmerung anrückte, als Viktor im Öfchen im Flur nicht mehr nachgelegt hatte und sich schon zu dem im Freien rauchenden Wasja gesellen wollte, hörte er ein Motorengeräusch. Vor Asas Hütte hielt der vertraute Jeep. Am Steuer saß Aslan, neben ihm auf dem Beifahrersitz Chatschajew.
[345] Viktor, der neugierig den Kopf aus der Tür gestreckt hatte, erstarrte. In ihm kämpfte zaghafte Freude gegen genauso zaghaftes Mißtrauen. Warum dieser Besuch? Klare Sache, jetzt kam der Punkt aufs i. Jetzt entschied sich, ob Chatschajew ihn und Mischa ziehen lassen würde, wie versprochen, oder nicht.
Chatschajew schickte den Rotschopf zum Krematorium, und der trottete über den schneeverwehten Pfad. Als Wasja außer Sicht war, kam Chatschajew ins Haus. Er trug eine ganz normale wattierte Jacke mit offenem Kragen und Jeans. Keine Granaten oder andere Waffen waren an ihm zu sehen.
Sie gingen in Viktors Zimmer. Chatschajew setzte
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