Pinguine frieren nicht

in dem teuren Salon.
    »Pascha! Bring uns Kognak«, rief Sergej Pawlowitsch. Dann setzte er sich an den kleinen Ecktisch und wandte sich Viktor zu. »Gut gesagt, denn ich bin ja jetzt auch ein Demokrat! Zuerst war ich bei den Nationaldemokraten, aber denen ist ihre ukrainische Sprache wichtiger als die Unabhängigkeit und die Wirtschaft zusammen, also mußte ich ein reiner Demokrat werden. Und wieso hast du so lange in Moskau gesteckt?«
    »Ich habe in Tschetschenien gesteckt, in Moskau war ich nur auf der Durchreise«, sagte Viktor und erzählte kurz von seinen tschetschenischen Erlebnissen, von Chatschajew und seinem Versprechen, und von dem heutigen Telefonanruf.
    »Zehntausend!« wiederholte Sergej Pawlowitsch. »Man sollte sie wegpusten, die Pinguin-Geisel befreien und das Geld für wohltätige Zwecke verwenden!«
    Viktor schwieg, während der Hausherr sich nachdenklich auf die Lippen biß. Da erschien Pascha mit Kognakgläsern und einer Flasche Hennessy. Er schenkte dienstfertig ein und ging leise wieder hinaus.
    [384] »Und wie stellst du es dir vor?« Sergej Pawlowitsch sah Viktor direkt in die Augen. »Willst du es geliehen oder geschenkt?«
    »Geliehen.«
    »Und hast du irgendwelche Sicherheiten? Aktien vielleicht, am liebsten irgendwo Mehrheitsanteile?« Sergej Pawlowitsch lächelte belustigt.
    »Ich habe eine Kreditkarte, mit Pin-Code, aber ich weiß nicht, wieviel drauf ist. Und viel Gold…«
    »Sauberes oder schmutziges?«
    Viktor seufzte.
    »Schmutziges.«
    »So etwas darfst du einem Volksabgeordneten nicht vorschlagen.« Sergej Pawlowitsch schüttelte den Kopf. »Na gut, komm, wir heben mal einen, dann fällt uns schon was ein!«
    Sie tranken, und Viktor kam es vor, als ob der Blick des Hausherrn gleich konzentrierter würde.
    »Was hast du denn da für eine Narbe?« fragte Sergej Pawlowitsch mit zusammengekniffenen Augen und schiefgelegtem Kopf.
    »Man hat eine Flasche Wodka auf mir zerschlagen«, gestand Viktor. »Föderale…«
    »Hast du dort zufällig auch ukrainische Kriegsgefangene getroffen?«
    »Nein, nur russische…«
    »Schade, sonst hätten wir sie freikaufen können. Die russischen soll ruhig Beresowski kaufen. Deine Narbe macht gar nichts, sieht gut aus. Mit so einer kann man sogar Abgeordneter werden… Also, was geschieht mit deinem Pinguin?«
    [385] »Sie wollen morgen mittag wieder anrufen«, erklärte Viktor schon ein wenig kläglich.
    »Du bist ein guter Kerl«, bemerkte der Hausherr lächelnd. »Es wird Zeit, daß du eine richtige Aufgabe findest und mit deinem Köpfchen anständiges Geld verdienst. Verstößt du auch nicht mehr gegen das Gesetz der Schnecke? Zu Hause ist alles in Ordnung?«
    »Ja.«
    »Warte hier mal kurz.« Sergej Pawlowitsch erhob sich und ging aus der Küche.
    Viktor lauschte auf die Stille. Der Gedanke kam ihm, daß in so einem großen Haus auch die Stille anders sein mußte, geräumiger.
    Schritte im Flur lenkten Viktor ab, und schon legte Sergej Pawlowitsch ein eng mit einem Gummi umschnürtes Päckchen Hundertdollarscheine vor ihm auf den Tisch. Danach setzte er sich auf seinen Platz, nahm die Flasche zur Hand und wollte die Gläser wieder füllen.
    Viktor, der sich auf den Kognak und Sergej Pawlowitschs Hand konzentrierte, sah erschreckt auf.
    »Was ist los?« Der Hausherr musterte den Gast scharf.
    »Man soll die Hand nicht wechseln«, sagte Viktor langsam, während er plötzlich wie im Zeitraffer Sewas Geburtstagsfeier vor sich sah, und das, was kurz darauf am gleichen Tag geschehen war.
    Sergej Pawlowitsch lachte. »Bist du abergläubisch geworden? Na gut!« Er stellte die Flasche zurück auf den Tisch und rief: »Pascha! Komm und schenk nach!«
    Als Pascha wieder fort war, blieb Viktors Blick an den Dollars hängen.
    [386] »Und wann muß ich es zurückzahlen?« fragte er.
    »Wenn ich eines Tages nackt und hungrig zu dir komme und dich bitte, mich aufzunehmen und zu verstecken. Dann zahlst du es zurück…« Er lachte wieder. »Ich mache Spaß! Du zahlst es mir schon früher zurück! Das ist dein Gehalt für ein Jahr im voraus.«
    Fassungslos öffnete Viktor den Mund, aber die Frage kam nicht raus, dafür war sie deutlich in seinem Blick zu lesen, und Sergej Pawlowitsch lachte wieder.
    »Wir machen dich zum Abgeordnetenberater. Für humanitäre Angelegenheiten. Du bist doch unser Spezialist für wohltätige Aktionen! Weißt du noch, die Prothesen?«
    Viktor sah auf die Dollar und hörte Sergej Pawlowitsch schon nicht mehr zu. Die Hauptsache war, er