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Pinguine frieren nicht

Pinguine frieren nicht

Titel: Pinguine frieren nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Anfänger!‹ begriff Viktor. ›Dann gewinnt er sicher!‹
    Aber Pascha erfüllte Viktors Erwartungen nicht, oder einfacher gesagt, er zeigte ihm, daß es auch von den Erfolgsregeln für Anfänger und Narren Ausnahmen gab.
    Sergej Pawlowitsch kam in Gedanken versunken zurück und hatte das Billardspiel vergessen.
    [118] »Macht euch fertig!« befahl er. »Wir machen einen Ausflug!«
    Ein paar Minuten später fuhren Viktor, Sergej Pawlowitsch und Pascha schon aus dem Hof. Sie hatten einen weiten Weg vor sich. Die Straßen waren verlassen, nur manchmal versteckte sich irgendwo ein Wagen der Verkehrspolizei, aber die Verkehrspolizisten hatten sich offenbar abgewöhnt, auf schwarze Mercedes-Geländewagen zu reagieren. In fünf Minuten hatten sie das Zentrum hinter sich und flogen schon die Artjom-, dann die Frunsestraße entlang. Viktor konnte die bekannten Orientierungspunkte nur aus dem Augenwinkel erkennen. Irgendwo im Stadtteil Kurenewka, hinter dem Stadion ›Spartak‹, bog der Wagen nach links und fuhr dann schon nicht mehr so schnell durch ein Villenviertel.
    »Hier links«, wies Sergej Pawlowitsch Pascha an.
    Sie bogen in eine kleine Sackgasse und hielten vor einem hohen eisernen Tor.
    »Blink mal mit den Scheinwerfern«, befahl der Chef.
    Pascha blinkte, im Hof ging Licht an, und jemand öffnete umständlich das Tor. Der Geländewagen rollte hinein.
    Ein etwa fünfzigjähriger Mann im Tarnanzug ließ sie ein. Er nickte nur Sergej Pawlowitsch zu. Der Chef betrat das Haus als erster, und Viktor und Pascha hielten sich dicht hinter ihm.
    Im Vorzimmer wurden sie herzlich von einem etwas über sechzigjährigen, noch kräftigen Mann in Jeans und dunkelblauem Pullover empfangen. Er führte sie in einen erlesen möblierten Salon.
    [119] »Mascha!« rief er. »Deck mal den Tisch!«
    Dann sagte er zu Sergej Pawlowitsch: »Deine Krieger können hier warten, während wir beide uns kurz zurückziehen…«
    Der Chef nickte, und sie gingen hinaus.
    »Kennst du den?« fragte Viktor Pascha. Pascha nickte wortlos.
    Im Wohnzimmer erschien Mascha, eine Frau von etwa vierzig, eine geschminkte Blondine in einem blauen Nickyhauskleid und armenischen Schnabelpantöffelchen an den Füßen. Sie schob einen Tisch auf Rollen vor sich her. Auf dem Tisch standen ein paar Platten mit verschiedenen kleinen Speisen. Pascha half ihr, die Platten auf einen runden Eßtisch hinüberzustellen. Viktor sah schweigend zu. Dann wanderten auch noch aus der Bar in der teuren Wandverkleidung eine Flasche Kognak, zwei Flaschen Wodka, Schnapsgläser und Weingläser auf den Tisch.
    Der Chef kam nach etwa zehn Minuten wieder. Auf seinem Gesicht hatte sich Düsterkeit über die Müdigkeit gelegt. Der Gastgeber kam etwas später, aber beim Hereinkommen lächelte er wie vorher. Er bat alle an den Tisch und begann, Kognak in die kristallenen Gläser auszuschenken.
    »Ich habe bis nach den Wahlen aufgehört«, stoppte Sergej Pawlowitsch die Hand des Gastgebers, die mit der Kognakflasche über seinem Glas hing.
    Der nickte wissend und schenkte dem Chef Mineralwasser ein.
    Das nächtliche Mahl wurde nicht unbedingt ein [120] Stimmungsknüller. Pascha leerte zwei Gläser Kognak, nachdem er vorher dem Chef in die Augen gesehen und dort keine Verbote gelesen hatte. Viktor begnügte sich mit einem.
    Auf dem Rückweg nach Golossejewo schlief er im Auto ein. Pascha rüttelte ihn wach, als der Mercedes schon im Hof stand. Viktor kroch gähnend aus dem Wagen und wollte gleich die Stufen zu seinem Dachzimmer erklimmen, um sich dort wieder aufs Ohr zu legen. Aber Sergej Pawlowitsch machte ihn munter, indem er ihn in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, aufforderte, in die Küche zu gehen und einen starken Kaffee für alle zu kochen.
    »Heute wird nicht geschlafen«, sagte er und ging sich kalt duschen.
    Pascha sah nach dem Computermann, erfuhr, daß die Sache sich dem Ende näherte, und kehrte zurück in die Küche. Die Uhr an der Wand zeigte halb drei.
    Sergej Pawlowitsch stieß im weißen Frotteebademantel und mit einem Kassettenrekorder in der Hand zu ihnen.
    »So«, bemerkte er trocken. »Ich erkläre die nächtliche Sitzung des Revolutionskomitees für eröffnet. Ist der Kaffee fertig?«
    Sie rückten den kleinen Tisch einen halben Meter von der Wand ab, so daß sie zu dritt an ihm Platz hatten. Der Kaffee war schon eingeschenkt. Sergej Pawlowitsch steckte den Stecker in die Steckdose und zog eine Kassette aus der Tasche seines Morgenmantels.
    »Hört gut hin!«

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