Pinguinwetter: Roman (German Edition)
Tagesmutter. Wobei, Würstchen …
Ich riss den Umschlag vom Arbeitsamt auf und las:
Wir freuen uns, Ihnen folgende Stelle anbieten zu können:
Art der Tätigkeit: Lektoratsvertretung
Dauer: befristet (2 Jahre)
Umfang: Vollzeit/40 Std.
Arbeitgeber: Koja Verlag
Ort: Köln
Eine Lektorenstelle? Das kann doch nicht wahr sein! Hat das Glück mir doch nicht den Rücken gekehrt? Befristet, na gut, aber immerhin!
Die Stelle war ab sofort frei, der Vorstellungstermin schon morgen. Allerdings sagte mir der Name des Verlags erst mal gar nichts.
Ich überlegte angestrengt, konnte den Koja Verlag aber auch nach längerem Überlegen nicht richtig einordnen. Es musste ein sehr kleiner Verlag sein – oder ein ganz neuer.
Wieder in der Wohnung setzte ich mich direkt an den PC , um mir meinen potentiellen neuen Arbeitgeber genauer anzusehen. Als ich allerdings den Internet Explorer anklickte, öffnete sich eine weiße Seite:
Die Website kann nicht angezeigt werden.
Wahrscheinliche Ursachen:
Sie haben keine Verbindung mit dem Internet hergestellt.
Es ist ein Problem mit der Website aufgetreten.
Die Adresse enthält eventuell einen Tippfehler.
Mögliche Vorgehensweise:
Diagnose von Verbindungsproblemen
Weitere Informationen
Was sollte das denn bedeuten? Wieso konnte ich jetzt nicht ins Internet? Ich versuchte es noch dreimal, aber jedes Mal kam die gleiche Fehlermeldung. Was stimmte denn jetzt wieder nicht? War der DSL -Anschluss kaputt?
In solchen Situationen verteufelte ich das Singledasein. Emanzipation hin oder her, aber ein Kerl hätte jetzt ein oder zwei versteckte Knöpfe gedrückt, irgendwas von »Router umstellen« gebrabbelt, was neu eingestellt oder relaunched, gebootet oder weiß der Himmel was, und am Ende wäre es wieder gelaufen wie geschmiert.
Nach genauso wildem wie sinnlosem Herumgeklicke gab ich es auf, als mein Blick auf den Umschlag meines Telefonanbieters fiel. Die Telefonrechnung! Ups!
Ich hatte sie bereits letzten Monat vergessen und wollte sie diesen Monat begleichen. Aber da mein Konto im Dauerdispo war und die lächerliche Überweisung vom Arbeitsamt das nicht im Geringsten ausgeglichen hatte, hatte ich die Zahlung ein weiteres Mal verschoben. Und die verdammte Abfindung war immer noch nicht da! Und jetzt das!
Ich riss den Brief hektisch auf, und sofort sprangen mir zwei Wörter, die, wenn sie zusammen in einem Satz auftauchten, nie etwas Gutes bedeuten konnten, ins Gesicht: vorübergehend und gesperrt.
Na toll! Jetzt bin ich komplett vom Rest der Welt abgeschnitten!
Selbst wenn ich sofort zahlen würde, würde die Firma sicher mindestens vierundzwanzig Stunden brauchen, um den Anschluss wieder freizuschalten. Das half mir gerade auch nicht weiter. Zu Mona konnte ich auch nicht rübergehen, die war sicher immer noch sauer. Wenn ich jetzt bei ihr klingeln würde, weil ich an ihren PC wollte, würde sie sicher total ausklinken. Internetcafé? Zu Trine?
Ich spielte alle Möglichkeiten durch, aber jede von ihnen setzte voraus, dass ich mich meiner Elefantenbabyhose entledigte und auf die Straße begab. Und danach war mir heute so überhaupt gar nicht.
Andererseits: Warum machte ich mir eigentlich so einen Stress? Im Grunde war es doch schnurzegal, was ich lektorierte – ich war schließlich Profi. Kein Thema konnte so strange sein, dass ich nach kurzer Einarbeitungszeit nicht damit klarkäme.
Mit diesen durchaus beruhigenden Gedanken schlurfte ich zurück aufs Sofa, um mir die Sendung Endlich schön! anzusehen, deren alte Folgen neuerdings mittags wiederholt wurden. Insgeheim befürchtete ich, dass Mona mich sicher irgendwann heimlich dort anmelden würde, wenn ich hier so weitermachte. Allerdings war die momentan zum einen ja sowieso sauer auf mich und zum anderen schaffnertechnisch komplett ausgelastet – also musste ich mir diese Sorgen nun eigentlich auch nicht mehr machen.
Wegen des morgigen Vorstellungsgesprächs machte ich mir keinen Kopf. Immerhin hatte ich bei einem bekannten Verlagshaus gearbeitet und viele Bücher erfolgreich auf den Weg gebracht. Mit meiner Berufserfahrung konnte mir doch eigentlich nichts passieren.
Entspannt ließ ich mich auf die Couch fallen und aß noch ein paar Gummiferkel. Es konnte nicht schaden, die Nerven rein prophylaktisch zu beruhigen (nur für alle Fälle). Sagte Trine ja auch immer. Zufrieden kaute ich einem Ferkel das Ohr ab.
*
»Frau Sander?«
Eine barfüßige Mittfünfzigerin in einem sicher hundertprozentig organischen Kaftan im
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