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Pinguinwetter: Roman (German Edition)

Pinguinwetter: Roman (German Edition)

Titel: Pinguinwetter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Sabbag
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Lämmle berichtete über die wichtigsten Dorfgeschehnisse der letzten Monate: »Der alte Kartoffelheinz ist doch noch Opa geworden, wer hätte das gedacht!« Und: »Der Mais hat dieses Jahr keinen guten Start gehabt.«
    So konnte ich mich mental schon mal auf die nächsten sicher nicht unanstrengenden, aber bestimmt ablenkenden Tage vorbereiten.
    Am Hof angekommen, sah ich Oma Melitta – eine Heugabel in der rechten und eine Schaufel in der linken Hand – mit dem Nachbarbauern wild gestikulierend am Feldrand streiten: »Zum Teufel mit dir, Schweinebauer, das ist mein Land, und hier düngst du nicht!«
    Der Schweinebauer war seit über dreißig Jahren Omas Nachbar, wurde aber, seit ich denken konnte, noch nie mit Namen angesprochen, da die beiden einen immerwährenden Kampf um die Grundstücksgrenzen führten. Als ich den beiden entgegenkam, stapfte der resignierte Bauer mit einer wegwerfenden Handbewegung davon und würdigte mich keines Blickes.
    »Lotte, da bist du ja schon. Marlene hat gesagt, dass du kommst. Das ist gut, dass du so früh da bist, da kannst du mir direkt im Beet helfen. Hier, nimm die Schaufel.«
    »Hallo Oma. Du, ich zieh mich erst mal um, ja? In den Klamotten kann ich doch nicht …«
    »Ach Quatsch, keine Ausreden, hier komm, das wird dir guttun. Wo du doch seit Wochen nicht gearbeitet hast.«
    Anscheinend hatte der Marlene-Funk ganze Arbeit geleistet. »Hab gehört, du gehst jetzt stempeln?«
    Wenn das keine gekonnte Einleitung war, dann wusste ich es auch nicht.
    »Ja, also nur vorübergehend, ich suche ja was Neues … Es ist nur nicht ganz so einfach«, rechtfertigte ich mich.
    »Wo treibt sich eigentlich deine Mutter schon wieder rum?«, fragte Oma Melitta.
    Währenddessen krempelte ich mir kurzerhand die Jeans hoch und zog die Schuhe aus. Warm genug war es ja.
    »Na ja, sie hat da so einen Jörn kennengelernt, einen Eisbrecherkapitän. Ich bekomme auch hauptsächlich SMS von ihr.« Ich versuchte, das prekäre Thema abzuschwächen, da ich wusste, dass Melitta die außergewöhnliche Lebensweise ihrer Tochter in keiner Weise für gut befand, sondern sogar schwer verurteilte.
    »Dieser neumodische Kram, Emil oder was ihr da immer tippt, das versteht doch kein Mensch, da will einer noch was kapieren!« Melitta schüttelte den Kopf.
    »E-Mail, Oma, E-Mail heißt das. Sie haben da so eine Huskysache geplant, irgendwelche Touristen-Touren, es scheint gut zu laufen.«
    Melitta schüttelte wieder den Kopf. »Nein, nein, nein. Das wird doch wieder nichts! Ich hab es ihr damals gesagt, sie hätte den Sohn vom Hexelhöhner heiraten sollen, dann hätte sie den ganzen Ärger jetzt auch nicht.«
    Melitta hatte es immer noch nicht verwunden, dass ihre jüngste Tochter drei uneheliche Kinder hatte und den Sohn vom Hexelhöhner – einer der wohlhabendsten Bauern im Umkreis – verschmäht hatte.
    Meine Brüder, Till und Tom, waren jünger als ich und standen mit beiden Beinen im Leben. Allerdings hielten beide es nicht für nötig, sich um Renate und deren regelmäßige Katastrophenaktionen zu kümmern, das blieb immer an mir hängen. Und auch sonst schienen beide mit ihrem eigenen Leben immer mehr als ausgelastet zu sein. Till war selbstständiger Hundetrainer – wobei er sich meiner Meinung nach mehr auf die Hundebesitzerinnen konzentrierte als auf die Hunde –, und Tom arbeitete in einer Baumschule, die er später einmal übernehmen wollte. Den beiden hatte ich noch nichts von meinem Dilemma erzählt – und hatte es auch nicht vor. Die hämischen Bruderwitze wollte ich mir erst mal ersparen.
    Für die ungewöhnliche Erziehung, die Renate uns Kindern angedeihen lassen hatte, waren wir dann doch recht bodenständig geworden. Außer mir. Zumindest momentan.
    »Aber dann wären wir Kinder doch nicht da, Oma. Hat doch auch was Gutes.«
    »Ach, papperlapapp – Kinder! Am besten kriegt man in der heutigen Zeit keine mehr. Das ist doch unverantwortlich. Ich hätte damals auch keine gekriegt, wenn ich nicht gemusst hätte. Aber der Alte hat mir nur unter der Voraussetzung das Haus gebaut, dass ich ihm Kinder gebäre. Das war der Preis. Das war damals so. Heute würde ich das nicht noch mal so machen.«
    Melitta ächzte, während sie auf Knien Unkraut zupfte.
    Ein tolles Erlebnis, von seiner eigenen Oma zu hören, dass man besser nicht gezeugt worden wäre – und sämtliche Generationen vor einem auch nicht. Aber ich nahm Aussagen wie diese schon lange nicht mehr persönlich. Ich wusste, dass wir im Grunde

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