Pinien sind stumme Zeugen
verwachsenen Naturasyls hatten den Krieg hinter sich. Es gab viel menschliches Gelichter unter den Tausenden von Pinien, aber es war im Grunde harmlos, bis auf einen harten Kern von Kriminellen, vielleicht sogar Mafiosi, die sich um den Calabrese sammelten. Er galt als gemeingefährlich; ihm ging man tunlichst aus dem Weg.
Ex-Oberleutnant Sollfrei verfolgte aufmerksam Brunos Erklärungen. Kopetzky schien sich schon akklimatisiert zu haben. Er beobachtete eine Luftwaffenhelferin in der Nähe. Mädchen in Uniform, noch dazu etwas rundliche, schienen sein Fall zu sein. Als er sich ihr näherte, wollte sie davonlaufen, blieb aber dann erleichtert stehen, als sie sah, daß er ein Deutscher war.
»Sei doch nicht so ängstlich, schöne Schwester«, sagte er zu der Rothaarigen. »Wir sind brave Kumpels, du kannst dich uns anvertrauen. Ein allein stehendes Mädchen braucht doch einen Beschützer.«
»Vielleicht einen«, erwiderte die Luftwaffenhelferin schnippisch, »aber keine drei.«
»Dann nimm mich«, versetzte der Gorilla treuherzig. »Ich bin der kräftigste.«
Sie mußte lachen. Kopetzky brachte sie zu seinen beiden Begleitern zurück und stellte sie dem Mädchen vor.
Sollfrei wahrte Haltung.
»Hast du jetzt nichts Wichtigeres zu tun«, zischte ihn Panizza an, »als Weiber aufzureißen?«
»Sei Kavalier, Bruno«, erwiderte der Gorilla. »Ich hab' der Dame doch nur unsere Hilfe angeboten.«
Sie lachten alle vier.
»Ich heiße Erika«, sagte sie und reichte Sollfrei und Panizza die Hand. »Wenn ich geahnt hätte, was hier los ist, wäre ich lieber in Gefangenschaft gegangen.«
»Keine Angst, Schwester«, beruhigte sie Kopy. »Wir passen schon auf dich auf. Was treibst du denn hier allein?«
»Ich habe mich verlaufen«, erklärte Erika. »Ich suche einen deutschen Unteroffizier. Er ist hier mit Leuten zusammen, die sich prima eingerichtet haben. Weil einige davon heute weiterziehen, soll Platz werden …«
Eine halbe Stunde später waren sie auf Brians Gruppe gestoßen. Tatsächlich wollten die drei Amerikaner, die beiden Engländer und der OSS-Agent Charly Poletto versuchen, sich via Südosten zu den Voraustruppen der 5. US-Army durchzuschlagen.
»Müßte eigentlich nicht schwer sein«, behauptete Charly, »wir brauchen ja nur diesen Strauchdieben nachzugehen.«
Bruno Panizza, seine beiden Freunde und die Luftwaffenhelferin Erika wurden nicht ohne weiteres aufgenommen, wiewohl der abgeschossene Jagdflieger-Unteroffizier ›Adolf, like Hitler‹ sich sofort für sie verwendete.
Charly Poletto betrachtete Sollfrei. »Was seid ihr?« fragte er. »Überläufer?«
»Versprengte Verwundete«, erwiderte der Ex-Oberleutnant.
»Wo kommt ihr her?«
Der Amerikaner breitete eine Straßenkarte aus; offensichtlich wollte er sich über die Frontlage noch informieren, bevor er loszog.
Der Münchener hatte bemerkt, daß Poletto perfekt Italienisch sprach. »Ich glaube, es ist besser, Sie unterhalten sich mit meinem Freund«, sagte er. »Die Verständigung in italienischer Sprache ist bestimmt besser.«
Er winkte Bruno heran.
»Panizza«, stellte er sich vor.
»Panizza?« wiederholte der OSS-Agent. »Ich hatte einen Kumpel, der hieß auch so – er sah Ihnen sogar ziemlich ähnlich.«
»Jack Panizza?« fragte der Südtiroler. »Aus New York, Manhattan?«
Der hochgewachsene Amerikaner mit dem wuchtigen Schädel auf dem langen Hals betrachtete ihn verblüfft.
»Mein amerikanischer Vetter«, versetzte Bruno lachend. »Es gibt für alles eine natürliche Erklärung.«
Der OSS-Agent reichte ihm die Hand. »Ich bin hier ein Schiffbrüchiger«, sagte er. »Man hat mich verschaukelt, aber ich werde es diesen Drecksäcken heimzahlen.«
Einen Moment lang war Bruno versucht, dem Amerikaner zu berichten, wie er in Rom Jack getroffen und nach vielen Briefen auch persönlich kennen gelernt hatte, aber das war eine lange Geschichte, und Poletto und die anderen standen vor dem Aufbruch.
Sie setzten sich nebeneinander und betrachteten die Straßenkarte. »Hier.« Der Fallschirmjäger fuhr mit dem Finger auf der Karte entlang bis zur Ortschaft Viccarella. »Hier waren die Amerikaner vorgestoßen. Der Kampf hatte sich am Abend ziemlich festgefahren. Wir setzten uns dann ungefähr hier im Niemandsland in die Pineta ab.«
»Okay«, erwiderte der Amerikaner, der als Untergrundspezialist in seiner Gruppe wohl das Sagen hatte. »Ihr seid willkommen und könnt von nun an unseren Platz hier einnehmen.«
Sie setzten sich ins
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