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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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gemeine Gangster gehalten hatten.
    Charly hatte sich nie mit ihnen eingelassen, allenfalls im Interesse der Sache eine Gefälligkeit mit einer anderen vergolten. Er hätte Zampata unverzüglich abgesetzt, aber als ihm unbewiesene Vorwürfe gemacht wurden, war Poletto längst im Einsatz hinter den deutschen Linien und konnte sich für eine Fehlbesetzung, die ihm – vielleicht – unterlaufen war, nicht einmal verteidigen.
    Er saß an der Bar seines Hotels. Der Keeper machte ein bedenkliches Gesicht, aber die Dollars, die er erhielt, waren ihm wichtiger als der Zustand eines Gastes. Die Americani tranken ja alle zuviel, nicht den lieblichen Wein des Landes, sondern dieses raue, bittere Zeug.
    Charly kam sich vor wie in einer Schiffsschaukel: Wenn es hochging, hielt er sich fest, wenn er nach unten pendelte, wurde ihm leicht schwindlig, aber es war nicht unangenehm. Plötzlich stand die Schaukel still – angehalten von einer Frau mit einem zauberhaften Lächeln.
    Sie war reizend, aufreizend, noch viel schöner, als er sie von seiner letzten Begegnung im Dschungel der Pineta in Erinnerung hatte. Sie trug ein raffiniert geschnittenes, direkt auf die Haut gearbeitetes Kleid. Ihre hohen Absätze machten ihre schlanken Beine schier endlos. Sie war nicht mehr blond, sondern dunkelhaarig, was ihrem pikanten Gesicht noch besser stand.
    Auf einmal begann die Halluzination zu sprechen. »Ubriaco?« fragte sie. »Betrunken?«
    Charly Poletto nickte grinsend.
    »Starren Sie mich nicht so an, ich bin's: Gina Vanoni.«
    »Ja, aber – die Haare …«
    »Dunkelhaarige halten, was Blondinen versprechen«, erwiderte sie mit ihrem heiseren Lachen.
    »Wie haben Sie mich gefunden?« fragte er. »Zufall?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Rom ist geschwätzig«, erwiderte sie.
    Gina warf die schwarze Haarpracht von einer Schulter zur anderen, sie roch verwirrend. Sie machte sehnsüchtig. Sie fegte eine mächtige, shity Army mit ihren Scheiß-Generalen vom Bartisch.
    »Vieni«, sagte Gina.
    Er warf einen Geldschein auf den Tisch, stand unsicher auf. Statt Gina den Arm zu reichen, hielt er sich an der Verführerin fest, die doch nur eine Samariterin wäre; er folgte ihr willig wie ein Hund seiner Herrin.
    Bald wurde es Nacht.
    Als Charly wieder zu sich kam, stellte er als erstes abscheuliche Kopfschmerzen fest.
    »Malatesta?« fragte die junge Frau neben ihm. Sie trug nur eine Perlenkette, er nur seine Erkennungsmarke.
    »Wie kommst du hierher?« fragte Charly.
    »Das ist nicht die Frage«, entgegnete Gina. »Es war weit schwieriger, dich hierher zu bringen.«
    »Wohin?«
    »Wir befinden uns im neuen Stadtteil Parioli, in einer Garconniere, die mir gehört«, erklärte die Italienerin.
    »Bist du nicht mit dem bekannten Advokaten Vanoni verheiratet?«
    »Die Ehe wurde aufgehoben«, antwortete Gina.
    »Dein Ex-Mann hat wohl Beziehungen zum Vatikan?«
    Sie nickte, richtete sich ein wenig auf. Ihr schöner fester Busen bedurfte keiner Nachhilfe. »Er hat Beziehungen überall hin«, stellte sie fest. »Er ist ein Multitalent.« Ihr perfides Lachen zeigte ebenmäßige Zähne. »Nur nicht im Bett.«
    »So wie ich?« fragte Charly zerknirscht.
    »Mit dir war auch nicht viel los«, versetzte Gina. »Ich mußte für zwei arbeiten.«
    Sie stand auf, ging ins Bad, und Charly dachte zum ersten Mal in seinem Leben nach einer Nacht, die er mit einer herrlichen Frau verbracht hatte, darüber nach, was sich abgespielt haben mochte.
    Gina kam aus dem Bad zurück und reichte ihm ein großes Handtuch. Während Charly sie abtrocknete, stellte er fest, daß er doch nicht so taub war, wie Gina angedeutet hatte.
    »Aber du erhältst von mir eine Bewährungschance«, versprach sie.
    Charly nahm es wörtlich und zog Gina an sich.
    »Più piano!« bremste Gina seine Attacke. »Da gibt es noch Bedingungen.« Sie zündete sich zwei Zigaretten an, schob Charly eine in den Mund. »Aber es würde sich vielleicht lohnen, und zwar in vielerlei Hinsicht – und selbstverständlich müßten wir zusammenbleiben.«
    »Das schreckt mich allerdings ungeheuerlich«, erwiderte er lachend.
    Ganz verstanden hatte er Gina zwar nicht, aber sie hätten ja noch viel Zeit, darüber zu reden.
    Von der Stunde an, da Charly Poletto als Betrunkener von Gina Vanoni abgeführt wurde, war er auch in eine neue Zukunft versetzt worden. Niemand hatte ihn seitdem gesehen. Keiner konnte sich erinnern, wohin er gegangen war – und so wurde er in den Listen als einer der zahllosen Vermissten des

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