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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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sich bei Kriegsende endgültig ins Privatleben zurückziehen wollte. Er war immer noch Bankier genug, um sich bei Falschgeld nicht recht wohl zu fühlen, aber er tat dem Obergruppenführer einen Gefallen. Er persönlich wollte sich an den Lardos auch gar nicht bereichern, schon weil er es nicht nötig hatte. Mitunter machte sich der Konsul klar, daß er den Auslagerungsvorschlag einiger RSHA-Gewaltiger höflich, aber sicher abgelehnt hätte, wäre es ihm nicht auch darum gegangen, seinen Herzbuben auch in dieser schwierigen Zeit zu sehen, eifersüchtig an sich zu binden und für seine Zukunft zu sorgen.
    Als er Mario vor zwei Jahren im Palazzo der Orsini auf einer glanzvollen Party in Rom kennen gelernt hatte, war Ralph von Wintersheim beim Anblick des hübschen Jungen mit den Plüschaugen und den reizenden Grübchen von der Illusion genarrt worden, aus seinem goldenen Rahmen sei ein Botticelli-Engel zu Fleisch und Blut geworden.
    »Ein Gedicht von einem Jungen«, hatte er zu Avocato Dr. Lello Vanoni bemerkt, der ihn in das gastliche Haus mitgenommen hatte.
    »Mein Neffe«, erwiderte der Geschäftsfreund. »Vaterlos aufgewachsen, behütet von einer eifersüchtigen Mutter, die vor kurzem tödlich verunglückte. Ich habe ihn in mein Haus in Terracina aufgenommen.«
    Der Baron war vom ersten Moment an von dem Jungen fasziniert gewesen, und auch Mario hatte der feinsinnige Kunstkenner mit der umfassenden Bildung imponiert, zudem war der Konsul auch noch von der Aureole des Reichtums umwittert. Ohne Frage hätte es Onkel Lello gern gesehen, daß sich der verwaiste Junge an den hochgewachsenen Baron mit den blondgetönten Haaren anschloss, und so war es ziemlich rasch zu einer Freundschaft mit homoerotischen Beziehungen gekommen. Jedenfalls fühlte sich der weitgereiste Finanzier wie der Göttervater Zeus, der als Adler den schönen Jüngling Ganymed betört und als Mundschenk in den Olymp entführt haben soll, eine Sage, die so großartige Künstler wie Michelangelo, Correggio, Rubens und Rembrandt auf herrlichen Gemälden dargestellt hatten.
    Der vierte und letzte Transport, Ende März 45, stand unter Zeitdruck. Wegen des alliierten Durchbruchs konnte Konsul Bessermann diesmal nicht auf das schlechte Wetter warten. Er trieb, gut 200 Meter hinter dem Lastwagen fahrend, seine beiden Helfer vorwärts. Prompt geriet der Lkw zwanzig Kilometer vor Trient in einen verheerenden Tieffliegerangriff.
    Er sprang aus dem Wagen, suchte und fand Deckung; dabei sah er die Stichflamme, die aus dem Laster hochloderte, nachdem ihn die Bombe als Volltreffer erfasst hatte. Sobald er mit dem Entsetzen fertig geworden war, stellte der Diplomat fest, daß er sich zu dieser Katastrophe eigentlich nur beglückwünschen könnte: nicht nur, weil er sie überlebt hatte, sondern auch, weil die beiden Helfer und Augenzeugen der heißen Fracht selbst unter extremen Umständen nicht mehr reden konnten.
    Mit einem Ersatzfahrzeug nebst Fahrer, das ihm nach Vorzeigen seiner Sonderausweise vom Standortkommandanten der Wehrmacht in Bozen widerwillig zur Verfügung gestellt wurde, war der Vorzugsmensch später via Sondrio über den nördlichen Corner See Richtung Schweiz weitergefahren; kurz vor der Grenze bei Gandria-Lugano ließ er den Wagen halten, schenkte dem Fahrer ein Päckchen Zigaretten und schickte ihn zurück.
    Dann ging er zu Fuß weiter. Die italienisch-deutschen Kontrollen bei der Ausreise waren ebenso verstärkt worden wie die eidgenössischen auf der anderen Seite. Der hagere blonde Konsul Bessermann verließ Italien. Entschlossen, sich endgültig von seinem angenommenen Namen und Ausweis zu trennen, durchschritt er das Niemandsland. Als Baron von Wintersheim, Sohn eines deutschen Vaters und einer schwedischen Mutter, seit siebzehn Jahren Papier-Schweizer und seit elf Jahren Konsul von Paraguay, erreichte er die schweizerische Grenze.
    »Gruezi, Herr Baron«, sagte der Uniformierte freundlich und reichte ihm seinen Paß zurück.
    Er kannte den prominenten Zeitgenossen von seinen vielen Grenzgängen her. Er war ebenso wohlbekannt wie wohlgelitten. Ein Grandseigneur, ein Mann von Welt, ein urbaner Ästhet, allem Schönen aufgeschlossen. Jedermanns Wohltäter, immer dabei, wenn aufgefordert wurde, für einen guten Zweck zu spenden: für Tuberkulosekranke, spastisch Gelähmte, Schwerhörige, Musikfreunde, Sportklubs, Witwen und Waisen und sogar für jüdische Kinder.
    Der Unterschied hatte lediglich in der Summe gelegen.
    Jetzt war von Wintersheim

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