Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
auf flachen Landungsbooten über das ligurische Meer gekommen, achtzehn Mann, aufgestellt in zwei Gruppen. Die erste landete südlich der Pineta von Tombolo, die zweite weiter nördlich bei Viareggio, eine durch ihre Karnevalsumzüge berühmte Küstenstadt; und das fand Jack Panizza, der Italo-Amerikaner aus Manhattan, besonders sinnig, weil er von vornherein einen blutigen Kehraus befürchtete.
    Der 25jährige OSS-Agent war etwas über einen Meter achtzig groß, hatte einen durchtrainierten Körper, ein ansprechendes Gesicht mit hoher Stirn und kühlen Augen. Er war vital und keineswegs ein Pessimist; aber man brauchte keine Kassandra zu sein, um bei diesem Einsatz das Unheil vorauszusehen. Die überstürzt geplante und abenteuerlich inszenierte Operation ›Blow up‹ wies mehr Fehler auf als ein Mistbeet Würmer: Viel zu viele und viel zu unerfahrene Männer waren an ihr beteiligt, junge Heißsporne, die darauf brannten, möglichst schnell Kriegshelden zu werden, und die den Untergrund offensichtlich für eine Art Kinderspielplatz hielten.
    Die Landeplätze lagen zu weit vom Ziel entfernt. Niemand hatte daran gedacht, daß der zunehmende Mond die toskanische Landschaft versilbern und die Konturen der Agenten auch in der Nacht deutlich abzeichnen würde. Zu viele Marine-Angehörige, auf die man angewiesen war, kannten die Underground-Operation. Die ›Blow-up‹-Planer hatten sich nicht dazu durchringen können, die Beteiligten in deutsche Uniformen zu stecken. Statt dessen trugen sie eine lächerliche Ziviljacke über dem US-Battle-Dress, und das bedeutete, daß sie in dieser Aufmachung weder völkerrechtlich geschützte Soldaten noch zureichend getarnte Agenten waren.
    Der schlimmste Fehler von allen war schließlich, daß man die italienische Agentengruppe ›Forza e Patria‹ zwar schon zweimal mit Waffen beliefert, aber nur ungenügend überprüft hatte. Nach dem letzten Abwurf von Maschinenpistolen, Munition, Handgranaten und Sprengstoff hatte der Anführer der Gruppe in das OSS-Headquarter gefunkt, daß er nunmehr stark genug sei, sich der 135. deutschen Festungsbrigade, die diesen Raum sicherte, sogar im offenen Kampf zu stellen. Was, so hatte sich die OSS-Führungsspitze gefragt, konnte da noch danebengehen?
    Jack Panizza ging als letzter der weitauseinandergezogenen neunköpfigen Schützenkette. Er bewegte sich fast lautlos, nutzte jede Deckung, wiewohl um zwei Uhr morgens nichts zu sehen war als helle Olivenbäume und dunkle Zypressenparzellen. Das Schlusslicht wunderte sich noch immer, daß die Deutschen sie nicht bereits am Strand empfangen hatten. Er traute der Stille nicht. Die Erfahrungen, die US-Agenten in diesem Land bereits gemacht hatten, waren niederschmetternd genug. Auf eine Pleite mehr oder weniger kam es auf dem italienischen Kriegsschauplatz schon nicht mehr an; aber Jack Panizza hatte nur ein Leben, und er hing daran.
    Die Männer vor ihm waren inzwischen näher zusammengerückt, als triebe sie die Angst aufeinander zu oder als wollten sie sich in dieser herrlichen Frühlingsnacht miteinander unterhalten. Panizza pfiff sie zurück, aber sie hörten nicht auf ihn; er hatte sich durch seine Warnungen bereits unbeliebt gemacht, und manche dieser Grünlinge hielten ihn sogar für einen Defätisten, obwohl er als einziger Teilnehmer des bei Tombolo gelandeten Trupps theoretische und praktische Erfahrungen mit der unsichtbaren Front hatte.
    Durch die Kriegsteilnahme Italiens an der Seite Hitlers war der Weinimport der renommierten Firma ›Panizza Ltd.‹, einer Familien-Aktiengesellschaft, die je zur Hälfte dem italienischen und dem amerikanischen Zweig der Panizzas gehörte, zum Erliegen gekommen, und der Junior des florierenden Unternehmens war beschäftigungslos geworden. Aus Zorn darüber hatte er sich schon ein Jahr vor dem Kriegseintritt Amerikas freiwillig zu den britischen ›Special Air Forces‹ (SAF) gemeldet, einer Spezialtruppe des englischen Geheimdienstes. In einem Trainingscamp 31 Meilen südlich von London war der Mann aus New York als Agent und Saboteur ausgebildet worden und hatte gelernt, im Fallen, im Stehen, im Liegen, im Sitzen, aus der Deckung heraus oder völlig ungeschützt den Gegner anzuvisieren und zu vernichten. Von erfahrenen Offizieren des Intelligence Service mit der langen Erfahrung war ihm beigebracht worden, wie man sich im gegnerischen Hinterland in der Uniform des Feindes über Wasser hält. Kurze Zeit später überlebte er tatsächlich in Nordafrika

Weitere Kostenlose Bücher