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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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fürchtete sich momentan keiner, am wenigsten die Jabo-Piloten.
    Keine Entwarnung. Keine warme Verpflegung. Wenn die Angst kocht, bleibt der Teller leer. Die Verwundeten saßen dichtgedrängt nebeneinander wie Hühner auf der Stange, denen das Gackern vergangen ist. Latrinenparolen jagten sich. Alle redeten davon, daß das Lazarett verlegt werden sollte.
    »He, Spieß!« ging Kopetzky den Hauptfeldwebel an. »Wie stellst du dir eigentlich unsere Zukunft vor?«
    »Beschissen«, erwiderte der Spieß. »Man will uns in die Nähe von Siena verlegen, aber einstweilen fahren wir nur mit der Hand über den Arsch. Keine Fahrzeuge, keinen Sprit. Die Schienenstränge unterbrochen, und am Tag könnt ihr nicht einmal mehr zu Fuß loslatschen.«
    »Warum führt ihr den Krieg, ihr Arschlöcher, wenn ihr nichts habt?« höhnte der Gorilla.
    »Sag's dem Führer, Kopy!« versetzte der Mann mit dem Ärmelstreifen. »Der hört sich so was gern an.«
    Auch wenn sich die Verwundeten nach wie vor für Hitler verheizen ließen, hatten die meisten mit ihrem selbsternannten Obersten Befehlshaber nicht mehr viel im Sinn. Die Heimat lag allnächtlich im Bombenhagel. Die Russen kämpften sich unaufhaltsam immer näher an das Reichsgebiet heran. Sicher liefe auch im Westen die Invasion an, und der Atlantikwall wäre doch bloß wieder Propagandaschwall.
    Sie hatten inzwischen ihre Erfahrungen gemacht. Auf dem italienischen Kriegsschauplatz wurde ihnen täglich die drückende Überlegenheit an Soldaten und Kriegspotential vorgeführt. Selbst in ›ruhigen‹ Zeiten kamen an diesem Frontabschnitt auf 25.000 alliierte Granaten 1.500 deutsche. Kein Wunder, daß die Endzeitstimmung des Zweiten Weltkriegs ausgebrochen war.
    »Der Führer ist mir Wurscht«, entgegnete Kopetzky. »Ich will nur nicht warten, bis mich die Amis kassieren.«
    »Die Amis stoßen vom Meer her nach Norden vor«, erklärte der Hauptfeldwebel. »Bei uns kommen die Tommies, die Franzosen, die Polen und …«
    »Geschissen wie gespieen«, unterbrach ihn der Panzerfahrer und hatte die Volksmeinung wieder hinter sich: Keiner war erpicht darauf, in Gefangenschaft zu geraten.
    Gegen Mittag wurden an die gehfähigen Verwundeten Uniformen, Marschpapiere, ein Kommissbrot, ein Verbandspäckchen, ein halbes Pfund Kunsthonig, zwei Tuben mit Schmelzkäse und nutzlose Ratschläge ausgegeben. Wer laufen konnte, sollte sich – wie auch immer – an Rom vorbei in die Toskana durchschlagen. Ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen, denn die Verwundeten lagen mitten im Operationsgebiet der Alliierten beim Angriff auf Rom.
    An den Ruinenwänden hingen riesige Plakate: Sie zeigten eine Schnecke, die an ihrem linken Fühler die amerikanische und an ihrem rechten die britische Flagge trug und auf Rom zukroch. Tatsächlich waren seit der Landung der Alliierten in Sizilien schon elf Monate verstrichen. Die deutschen Verteidiger hatten Berge, Flusstäler und Engstellen geschickt genutzt und wie die Löwen gekämpft. Als die Alliierten südlich von Rom in Anzio und Nettuno gelandet waren, wurden sie förmlich einzementiert, so daß der britische Premierminister grollte: »Man hoffte, eine Wildkatze an Land zu schleudern, nun liegt dort ein gestrandeter Walfisch.«
    Nach vier blutigen Schlachten tobte noch immer der Stellungskrieg am Monte Cassino, und die Fallschirmjäger, die ihn hielten, nannte man von nun an die ›Grünen Teufel‹. Es schien, als hätten sich die Fronten auf dem italienischen Stiefel für alle Zeiten festgefahren. »Ich zweifle«, schrieb der alliierte Oberbefehlshaber Harold Alexander an seinen Premierminister Churchill, »daß es auf der Welt eine zweite Truppe gibt, die das überstehen und nachher mit der gleichen Verbissenheit weiterkämpfen würde wie diese Leute.«
    Die alliierten Invasoren, ein buntscheckiges Heer aus eineinhalb Dutzend Nationen, kämpften gegen die deutschen Verteidiger mit doppelter Übermacht, aber sie hatten untereinander große Verständigungs-Probleme: Nicht nur die Sprache, auch der Ehrgeiz sorgte für eine schlechte Kommunikation. Erstmals in einem Krieg war eine US-Neger-Division im Einsatz, und erstmals begegneten die farbigen Soldaten Frauen weißer Hautfarbe, die sich – wenn auch oft nur aus Hunger – mit ihnen einließen. Von diesem Entgegenkommen waren die GIs mitunter so überwältigt, daß sie sich mit ihren Partnerinnen einfach davonmachten. Ihre Einheit hatte die höchste Desertierungsrate aller alliierten Truppen.
    Eine andere

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