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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Signora Taloni aufgenommen wurde, einer stillen Frau, die keine Fragen stellte. Sie lebte zurückgezogen. Niemand kümmerte sich um sie.
    Am Sonntagnachmittag klingelte es wieder dreimal an der Tür. Es war Pluto; er wirkte bekümmert, und die schlechte Nachricht, die er überbrachte, hing an ihm wie ein übler Geruch. »Sei bravo, Americano«, sagte er bei der Begrüßung. »Sei tapfer, Amerikaner. Deine Kameraden sind heute morgen erschossen worden. Alle fünfzehn.«
    »Fünfzehn?« fragte Panizza. »Bist du sicher?«
    »Absolut.«
    Panizza erfasste, daß außer ihm noch zwei Blow-up-Teilnehmer entkommen sein mußten. Der Tod der anderen war grauenhaft, aber die Erschütterung war ihm nicht anzumerken; er hatte mit der Hinrichtung seiner Gefährten gerechnet. Zwar war vom deutschen Festungskommandanten von La Spezia und zwei Offizieren der Marineabwehr versucht worden, die Exekution zu verhindern oder wenigstens zu verschieben, aber der Kommandierende General des LXXV. Armeekorps hatte in einem Telegramm verlangt, ihm bis morgens sechs Uhr Vollzugsmeldung über die Hinrichtung zu erstatten.
    »Woher weißt du das alles?« fragte Panizza.
    »Ich habe meine Beziehungen«, erwiderte Pluto.
    »Auch zu den Deutschen?«
    »Überallhin«, versetzte er. »Sono un Italiano.« Daß Pluto sein Wissen damit begründete, ein Italiener zu sein, war für einen Italiener eine klassische Antwort.
    »Dann weißt du auch, daß die Männer der Partisanen-Gruppe ›Forza e Patria‹ Verräter sind.«
    »Das glaub' ich nicht«, antwortete Pluto. »Es sind Konservative, nicht meine Freunde. Sie haben schwere Verluste erlitten. Sie mußten neue Leute aufnehmen, darunter einen Schweinehund namens Molosso«, berichtete der Italiener.
    »Die Bulldogge?« fragte der Amerikaner.
    »Ein Deckname für einen ausgesprochenen Gangster und Verräter. Als die Deutschen die ›Forza-e-Patria‹-Gruppe ausgehoben hatten, war er mit seinen Strauchdieben an ihre Stelle getreten. Die Amerikaner bemerkten den Wechsel nicht und warfen weiterhin Waffen ab. Molosso verscheuerte sie sofort an die Feldgrauen. Gegen harte Währung.« Er fing Panizzas fragenden Blick auf. »Gegen englische Pfundnoten«, setzte er hinzu. »Entweder haben die Tedeschi eine komplette Kriegskasse der Engländer erbeutet oder …« Er brach ab.
    »Oder?« fragte Panizza.
    »Es ist vielleicht nur ein Gerücht – die Pfundnoten sollen von den Deutschen gefälscht worden sein.«
    Panizza merkte, daß der Italiener noch mehr Pulver auf der Pfanne hatte. »Nun sag mir schon alles!« forderte er ihn auf.
    »Bei Viareggio hat es ebenfalls in der vergangenen Nacht eine Schießerei gegeben, bei der mehrere Molosso-Leute verwundet oder getötet wurden. Zwei von euren Männern sind danach getürmt und bis jetzt noch nicht gefaßt worden. Wenn sie nicht an die Falschen geraten, haben sie eine Chance – die meisten Italiener würden sie verstecken.« Er suchte Panizzas Blick. »Dir hat ja auch einer geholfen.«
    »Mehrere«, erwiderte der Mann auf der Flucht. »Und ich werde mich revanchieren.«
    »Am besten mit Waffen«, versetzte Pluto. »Wir brauchen sie dringend. Wir würden sie nicht an die Besatzung verschachern, sondern sie gegen sie verwenden.«
    »Kannst du auch die Namen der beiden Entkommenen herausbekommen?« fragte Panizza.
    »Sie sollen Poletto und Miller heißen«, antwortete der Italiener wie nebenbei, als wäre es selbstverständlich, feindliche Vernehmungsprotokolle mitzulesen.
    Panizza war klar, daß er schleunigst Verbindung zur OSS-Zentrale aufnehmen mußte, um Donovans Crew vor Molosso zu warnen und sie wissen zu lassen, daß Charly und Herbie entkommen waren und vermutlich Hilfe brauchten. Er kannte die Adresse einer Auffangstelle in Rom. Außerdem hatte er Verwandte in der Stadt, auf die er sich verlassen konnte; er wollte sie aber nicht in sein Risiko verwickeln.
    »Ich müßte dringend nach Rom«, sagte Panizza. »Kannst du mir dabei helfen, Pluto?«
    »Ich will's versuchen«, versprach der Italiener.
    »Ich komme zurück«, versprach der Gerettete. »Ich werde hier gründlich aufräumen, mit Molosso abrechnen und dir Waffen verschaffen.«
    »Das ist ein Wort.«
    »Du kannst dich darauf verlassen«, versetzte der Amerikaner.
    Er startete am nächsten Tag. Freunde und Bekannte Plutos halfen dem OSS-Agenten von Stadt zu Stadt weiter, schleusten ihn an allen Kontrollen vorbei und brachten ihn zunächst als Arbeiter der Müllabfuhr in der Tiber-Stadt unter. Panizza wurde

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