Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
etwa hier.« Er zeigte auf die Stadt Cività Castellano. »Oder noch weiter nördlich. Sie schnüren dann den Sack zu. Das haben wir ihnen doch bis zum Überdruss vorgemacht.«
    »Und dann stecken wir im Sack, Herr Oberleutnant«, bemerkte Kopatsch.
    »Vermutlich«, erklärte Sollfrei.
    »Das heißt also, wir können uns die ganze Aufregung ersparen, gleich hier bleiben und die Pfoten in die Höhe heben«, konterte der Gorilla gereizt.
    »Gewissermaßen ja. Aber wer sagt Ihnen denn, Kopy, daß die Angloamerikaner nicht von allen guten Geistern verlassen sind?«
    »Du siehst also doch eine Chance?« fragte Panizza erleichtert.
    »Eine einzige«, erwiderte der junge Offizier. »Den Ehrgeiz. Den Konkurrenzneid. Die Ruhmsucht. Wahrscheinlich möchte jeder Frontgeneral als erster in Rom sein und die Lorbeeren kassieren. Und während sie in Rom feiern – statt den Kessel zu schließen –, türmen wir über alle Berge.«
    »Du bist ja ein richtiger Stratege, Oberleutnant«, bewunderte ihn Panizza.
    »Hoffentlich«, antwortete der Oberleutnant. »Generäle sind meistens wie Primadonnen, vor allem wenn sie in verschiedenen Häusern auftreten.«
    »Wirklich eine Chance«, warf der kleine Kopatsch ein. »Ich glaube nicht, daß es in Rom viel Rabatz gibt, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß die Alliierten die berühmteste Stadt der Welt zerstören.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr«, versetzte der Gorilla. »Sie haben ja auch das berühmteste Kloster der Welt zur Sau gemacht, Pikkolo.«
    Es dunkelte bereits, als sie auf die Pineta zugingen.
    »Ihr habt wohl Reisefieber«, empfing sie der Tross-Feldwebel. Dann sah er Oberleutnant Sollfrei und grüßte stramm: »Wir haben sehr viele Verwundete …«
    »… so daß ihr keinen Platz mehr für uns habt?« knurrte Kopetzky.
    »Wir haben trotzdem Platz für euch, weil viele unserer Männer gefallen sind …«
    »Das klingt ja richtig beruhigend«, antwortete der Gorilla und fletschte die Zähne.
    Abgekämpfte, ausgeblutete Fallschirmjäger schleppten ihre notdürftig versorgten Verwundeten heran. Der Truppenarzt war gefallen und viele andere, so daß für die vier Notpassagiere wirklich genügend Transportraum blieb. Sie stiegen in den ersten Lkw und kauerten sich unter die Plane, wohlversorgt mit erbeuteten Schätzen aus australischen, neuseeländischen und amerikanischen Beständen.
    Endlich ratterte der Laster los. Die Soldaten purzelten durcheinander, rappelten sich fluchend wieder hoch.
    »Schlecht gefahren ist immer noch besser als gut gelaufen«, blödelte Kopetzky.
    Nach ein paar hundert Metern stand der Wagen bereits wieder. So ging es weiter. Im Schutz der Nacht und auf Raten näherten sie sich der Stadt der Farben und des Lichts. Am Morgen, als die Jabos wieder starteten, stand die Lastwagenkolonne an der Peripherie der Sieben-Hügel-Stadt und suchte verzweifelt nach Deckung für die Fahrzeuge.
    Kein Mensch war auf der Straße. Die Zivilbevölkerung hatte sich in den Kellern und Verstecken verkrochen, das Ohr ans Radio gepresst. Dem Duce glaubten sie längst nicht mehr, und eigentlich nicht einmal der BBC-London, die den Römern nach der Landung in Anzio und Nettuno am 22. Januar 1944 auf mehr als zwei Millionen Flugblättern die unmittelbar bevorstehende Befreiung Roms angekündigt hatte.
    Auf den Albaner Bergen waren Freudenfeuer angezündet worden, in den Vororten läuteten die Kirchenglocken, als begrüßten sie bereits die heranrollenden ›Shermans‹. Die Bevölkerung war zu Hunderttausenden, oft nur im Pyjama und Nachthemd, im wilden Freudentaumel auf die Straßen gestürzt. Aus den Fenstern flogen die letzten Mussolini-Bilder. Ein Autofahrer hatte die vom Sockel gestürzte Duce-Büste mit einem Strick um die Stoßstange seines Wagens gewickelt und hetzte damit unter dem Gejohle der Zuschauer über die Straße.
    Die erste Garnitur der Faschisten war in die deutsche Botschaft geflüchtet und wurde hier in feldgraue Uniformen gesteckt, beneidet von den zurückbleibenden Besatzungsgrößen, die noch ausharren sollten.
    Der Kater war am Morgen gekommen: Die Landung der Alliierten südlich von Rom hatte sie zwar nur 14 Tote und 27 Verwundete gekostet, aber von Anzio her kam nur die frische Brise in die Tiber-Metropole. Die Befreier hatten sich erst einmal eingegraben, und die Flugblätter landeten als Makulatur in den Mülltonnen.
    Einige, die sich bei den nächtlichen Staßenszenen zu weit vorgewagt hatten, versuchten sich loszukaufen, indem sie andere

Weitere Kostenlose Bücher