Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
worden«, warnte ein Vorarbeiter den Müllwerker Panizza. »Hau bloß ab, Mann, bevor sie dich holen.«
    Der Untergetauchte mußte jetzt doch die Hilfe der Signora Sasselli, geborene Panizza, und ihres Mannes Aldo in Anspruch nehmen. Die Familienbande waren erst Ende 1941 abgerissen. Zuvor hatte es einen regen privaten wie auch geschäftlichen Briefverkehr gegeben. Kurz nach 1930 hatte Jacks Vater, der Auswanderer von 1919, seiner Heimat einen Besuch abgestattet. Er war nicht wie die meisten Italiener nach dem Ersten Weltkrieg aus Not emigriert, sondern um den hervorragenden Wein seines Bruders heimwehkranken Landsleuten, die ihn sich leisten konnten, in der Neuen Welt zu verkaufen. Der Familiensinn hatte durchaus dem Geschäftsinteresse gedient, und Jack, der US-Junior-Chef fürchtete nicht, daß sich in den letzten zweieinhalb Jahren etwas daran geändert haben könnte.
    Er suchte die Nummer seiner Kusine aus dem Telefonbuch und läutete sie an.
    »Buon giorno, Anna Maria. Sono in Roma – Giacomo«, meldete er sich sicherheitshalber mit seinem italienischen Taufnamen (er war erst als Zweijähriger in die USA gekommen), für den Fall, daß das Telefon überwacht wurde.
    »Kenn' ich nicht«, erwiderte Signora Sasselli vorsichtig.
    »Vielleicht doch«, entgegnete der Anrufer. »Manche nennen mich auch Jack.«
    Die Frau des Arztes begriff erstaunlich rasch:
    »Komm sofort her!« antwortete sie und legte auf.
    Der Amerikaner war übervorsichtig; er benutzte alle Tricks des Untergrunds, verschleierte sein Ziel, die großbürgerliche Wohnung in der Via Sistina, nahe der Spanischen Treppe. Er stand vor der Trinità-del-Monti-Basilika, als genösse er den immer wieder faszinierenden Blick in die Via Condotti, über die Dächer des Häusermeers. Umständlich näherte er sich dem Gebäude, damit es aussah, als entfernte er sich.
    Anna Maria stand im Hausflur. »Vieni!« raunte sie ihm zu. »Komm herein!«
    Sie ging voraus in den ersten Stock.
    Panizza folgte seiner Kusine in die Beletage, als gehöre er nicht zu ihr.
    Die Verwundeten des Behelfslazaretts bei Frascati schlüpften aus ihren Krankenkitteln. In ihren Uniformen warteten sie jetzt auf die Dunkelheit, um loszuzittern. Einige probierten es zu früh und kamen schnell wieder zurück.
    Kopetzky, der Gorilla, reinigte seine Maschinenpistole, wiewohl sie sauberer war als sein Oberschenkel-Verband. Er hätte sie natürlich beim Waffen-Bullen abgeben müssen, aber er hütete seine MP wie den Nibelungenschatz. »Wenn du so'n Ding hast, Bruno, dann kannste ruhig humpeln«, erklärte er Panizza und dem kleinen Kopatsch. »Dann biste immer noch was wert.«
    Das Sanitätspersonal hatte nun doch noch einen ›Opel-Blitz‹ mit Holzvergaser aufgetrieben; sie halfen, so gut sie konnten, bei der Verladung der Schwerverwundeten. Als der Eineinhalbtonner abgefahren war, wurde es auch Zeit für sie. Der Trossführer hatte ihnen zwar versprochen, einen Mann herüberzuschicken, wenn es soweit wäre; aber schnell waren sie ohnedies nicht bei Fuß, deshalb wollten sie sich auf den kurzen Weg machen und meldeten sich zuvor beim Stabsarzt ab.
    »Also sorgen Sie dafür, daß Ihr Arm täglich kontrolliert wird, Sollfrei«, sagte der Leiter des Lazaretts. »Vielleicht überlegen Sie es sich doch noch einmal, ob Sie sich wirklich über Rom absetzen wollen …«
    »Was sonst?« entgegnete der Oberleutnant.
    »Und was tun Sie, wenn in Rom ein Aufstand ausbricht?« fragte der Sanitätsoffizier.
    »Dann sind wir geliefert. Aber wenn hier ein Aufruhr ausbricht, genauso. Und wenn wir unter alliierte Panzerketten kommen, dann sind wir noch gelieferter.«
    »Viel Glück!« verabschiedete der Stabsarzt seine letzten Patienten. »Wenn wir Penicillin hätten wie die Amerikaner«, sagte er, »wären Sie mit ein, zwei Spritzen überm Berg, aber so …«
    »Wenn der Hund nicht g'schissen hätt' …«, maulte Kopetzky hinterher.
    Sollfrei hatte eine Straßenkarte organisiert. Er breitete sie aus und besprach sich mit seinen Kumpels. »Wenn die Amis und die Tommies nicht von allen guten Geistern verlassen sind, dann stoßen sie links und rechts an Rom vorbei und versuchen so weit wie möglich nach Norden voranzukommen. Das sieht dann so aus: Hier« – er deutete auf die westliche Seite – »bricht die fünfte US-Armee durch und hier« – er fuhr mit dem Zeigefinger an der Ostflanke entlang – »die achte britische. Dreißig oder vierzig Kilometer weiter nördlich vereinigen sie sich hinter Rom,

Weitere Kostenlose Bücher