Pink Christmas (German Edition)
und es klang ein wenig verzweifelt.
Ich sagte dazu nichts mehr und schwieg. Der Mann war mir nicht ganz koscher.
Wahrscheinlich war er krank. Es soll ja Leute geben, die sich für Jesus oder Ähnliches hielten.
Ich war erleichtert, als ich die Stadt erreichte. Hier waren die Straßenverhältnisse auch schon gleich besser. Am Bahnhof hielt ich an.
„Dann viel Glück!“, wünschte ich.
Er nickte nur wieder. Nicht besonders glücklich über die Tatsache, dass er nun aussteigen musste, verließ er mein Auto. Unsicher sah er sich um. An den Bushaltestellen herrschte gähnende Leere. Er löcherte mich mit großen Augen.
„Tja, ich weiß nicht, wann der nächste Bus fährt!“, äußerte ich mich achselzuckend.
„Das ist es gar nicht ...“, sagte er. „Aber – ich habe gar kein Geld!“
Ich stöhnte. „Das kann doch nicht wahr sein.“
Ich kramte in meiner Jackentasche, doch auch ich besaß nur noch ein paar Cents. Meist zahlte ich mit Karte.
„Steig ein!“, forderte ich ihn auf.
„Was?“
„Einsteigen!“
Mir war inzwischen die Lust vergangen, über detaillierte Sachlagen zu diskutieren. Der Mann mit dem Mantel stieg wieder in den Wagen ein, und ich fuhr los.
In meiner Wohnung angekommen, war die Situation noch angespannt. Wir sprachen keinen Ton. Der Mann folgte mir schüchtern. In meinen 4 Wänden gab ich ihm etwas Geld.
„Das kannst du jetzt aber vergessen. So spät fährt sicher kein Bus mehr in den Wald!“
„Oh.“
Geknickte sah er zu Boden.
Langsam wurde ich wieder ruhiger. Ich machte den kleinen Kunstweihnachtsbaum an und entzündete ein paar Kerzen. Jedenfalls am letzten Abend wollte ich noch etwas künstliche Weihnachtsstimmung aufkommen lassen.
„Mach’s dir doch bequem!“, forderte ich den Fremden auf. Ich wollte nicht unhöflich erscheinen, aber inzwischen machte mich seine Kostümierung schon ganz nervös.
Er legte Mantel, Handschuhe und Mütze ab und streifte sich die festen Schuhe von den Füßen.
Und erneut musste ich staunen. Das Haar unter seiner Mütze war so lang, dass es ihm weit über die Schultern hing. Und es war schneeweiß.
Ich schnitt etwas von dem Stollen auf und servierte uns einen heißen Grog.
Er kostete zaghaft und runzelte sofort die Stirn.
„In dem Stollen ist zu wenig Ingwer, zu viele Rosinen und sicher wurde keine frische Hefe benutzt.“
Mmh, mir war das noch gar nicht so aufgefallen. Mutters Stollen schmeckte jedes Jahr gleich.
„Du kennst dich wohl aus mit Stollen, wie?“, erkundigte ich mich lächelnd. Er nickte ernst.
Komischer Kauz, dachte ich.
„Mit wem hast du Weihnachten gefeiert?“, fragte ich schließlich.
„Mit niemandem“, antwortete er.
„Das passt ja gut“, erwiderte ich. „Ich habe gearbeitet, war auch alleine!“
„Tja ...“ Er zuckte mit den Schultern. Seine Augen schimmerten feucht. War er etwa traurig darüber?
„Wie ist dein Name?“
Er zuckte mit den Schultern. „Meist nennt man mich Weihnachtsmann.“
„Ja, klar!“ Ich schüttelte den Kopf. Sollte das etwa witzig sein?
„Aber den Bart, den kannst du jetzt mal abnehmen!“, fuhr es aus mir heraus. Ich griff an die langen Haare an seinem Kinn und zog kräftig daran.
„Aua!“ Er schrie. „Was machst du denn?“
Verblüfft sah ich ihn an. Die Haare waren echt. Ich konnte es kaum glauben.
„Tut mir leid.“
Nun saßen wir noch eine Weile andächtig herum, bis die Kerzen fast ganz heruntergebrannt waren. Dann erhob ich mich.
„Wir sollten uns aufs Ohr legen. Es ist schon spät.“
Ich gab ihm ein Handtuch und auch eine Zahnbürste fand sich an. Aber als ich ihn so verloren vor dem Badezimmerspiegel stehen sah, redete ich Klartext.
„Sag mal, um dich kümmert sich wirklich niemand, was?“
Er schüttelte den Kopf.
„Du musst dich mal rasieren. Das sieht ja schlimm aus!“ Ich griff zu meinem Elektrorasierer. Er zuckte ängstlich zurück.
„Nein, bitte nicht!“
Ich ließ mir nichts vorschreiben. Und er wehrte sich auch nicht sonderlich viel. Ich schor ihm den Bart ab. Die langen Zotteln fielen zu Boden. Dann kämmte ich seine wallende Mähne nach hinten. Er hatte wirklich wunderbares Haar. Weich und fast silbern. Als ich ihn mir näher betrachtete, kam ich aus dem Staunen fast nicht mehr heraus.
Er war viel jünger, als ich gedacht hatte. Sein Gesicht war schmal, seine Augen funkelten blau. Unheimlich intensiv bildeten sie einen Kontrast zu den hellen Haaren.
„Mann, siehst du cool aus ohne Bart!“, entwich es mir.
Weitere Kostenlose Bücher