Pink Christmas (German Edition)
auch wenn ihr klar ist, dass Lars nicht der Vater sein kann. Wer dann?
„Kommen Sie morgen!”
Beim nächsten Besuch lacht der Doktor sie an:
„Gefunden! Dieser Mann, Lars Bogner, ist der Vater ihrer Tochter.”
Paulina rutscht vom Stuhl.
„Ohnmächtig!”, ruft eine Schwester. Schon sind Ärzte da.
„Nein, leblos! Herzinfarkt!”
Sofort werden Wiederbelebungsversuche eingeleitet.
In der Notaufnahme des Krankenhauses wacht Paulina auf, murmelt: Scheiß Fest, obwohl das schon vierzehn Tage hinter ihnen liegt. Sie erkennt verschwommen den Baum im Foyer, durch das man sie zur Inneren schiebt. Auf der Station sagt die Schwester:
„Das Fest der Liebe ist doch vorbei …”
Paula begreift nichts. Ihr Hirn nimmt nur das Wort Liebe auf. Plötzlich zieht ein unbegreifliches Lächeln über ihr Gesicht. Mein Gott! Meine Tochter ist wirklich ein Kind der Liebe.
[1]
Wasabi = japanisch = Würze
Kai Steiner
Burgunder
Der Zusammenbruch kam unvermutet.
Stange rief die 112 an.
Die Leute vom Rettungsdienst klingelten zwei Minuten später an der Haustür. Nach eingehender Untersuchung verbreiteten die Krankenhaus-Ärzte Zuversicht. Hitze und Feuchtigkeit machten vielen Menschen zu schaffen. Bei einigen fiele der Kreislauf zusammen, wie in diesem Fall.
Zwei Tage später stellte man den Totenschein aus: 16. Mai, 13.42 Uhr, Ursache: Herzversagen.
Die Meteorologen sprachen vom Kaiserwetter.
Stange spürte die Ohnmacht, die ihn überfiel. Die Gletscherspalte, in die er zu stürzen schien, war eng. Bewegungen waren ausgeschlossen, selbst der Atem gefror. Er war am Todestag leblos.
Leere war vorprogrammiert.
Zu zweit gibt es Gespräche, Auseinandersetzungen, Hilfe, Nörgeleien, eben alles, was zum Leben gehört. Dann plötzlich das Alleingelassenwerden, aus heiterem Himmel, unvorbereitet, im schönsten Monat des Jahres, im Mai.
„Da musst du durch!”
Mein Gott, gab es nicht mehr zu sagen?
Sohn und Tochter reisten sofort von weit her an. Sie blieben fünf Tage, die Beerdigung fand vier Tage nach dem Tod statt.
Die Zeit zum Trösten war kurz.
Dann sprangen Nachbarn ein, schließlich ein paar Freunde, die noch lebten.
„Jede Zäsur verändert”, sagte sein Sohn. „Wer weiß, wozu sie gut ist!”
Ablenkung verdrängte seine Trauer. Man hat zu tun: aussortieren, weggeben, umgestalten, Neues anschaffen. Das kostet Zeit. Man ist tagsüber ausgelastet, aber abends spürt man das Vakuum, selbst wenn Filme oder Reportagen über die Glotze flimmern. Dann die Angst: Was wird, schafft man es, hat man noch Zeit?
Sein Sohn sagte:
„Vater, es ist Zeit, geh in ein Seniorenheim. Sonst bist du Weihnachten allein. Silvia und ich fahren mit den Kindern in die Berge. Du verstehst doch, wir brauchen jetzt einfach Erholung, und das heißt sportlich sein, auf Skipisten herunterdonnern, über Hügel rodeln, Maria wird lernen, mit den Schlittschuhen umzugehen, Sebastian wird Ski-Unterricht bekommen. So ein Urlaub ist nichts mehr für dich.”
Stange überhörte die Unaufrichtigkeit der Worte.
Vor einem Vierteljahr ließ er sich für eine Einzimmerwohnung im dritten Stock des Seniorenheimes Goldener Abend mit einem Trick einschreiben. Bei der Frage der Verwaltungsangestellten, welcher Konfession er angehöre, sie nannte katholisch, evangelisch, freikirchlich, grunzte Stange undeutlich und fiel scheinbar in Ohnmacht. Seines guten Eindrucks wegen fragte man später nicht nach. In dieses katholische Seniorenheim kommt nämlich nur, wer Katholik ist. Stange ist nicht in der Kirche.
Drei Tage später transportierten Spediteure den Rest der Möbel aus der letzten Wohnung in sein neues Appartement. Es war lächerlich, was er mitnehmen konnte. Für ihn waren ein paar Lithografien und ein Mahagonisekretär das Wichtigste. Das übrige Mobiliar der Vierzimmer-Wohnung hatte sein Sohn einem Entsorger anvertraut.
Drei Wochen vor Weihnachten.
Im Seniorenheim ist die Hölle los, schreibt Stange an seinen Sohn.
Worum geht es? Schwester Vera macht mit ihrem Gelaber und Gehabe um das Fest alle verrückt. Kartons mit Kugeln werden durch die Gänge geschleppt, Lamettastrippen liegen ungeordnet im Lesezimmer auf den Buchregalen, Strohsterne füllen eine herausgezogene Kommodenschublade. Die kanadische Drei-Meter-Tanne wartet bereits im Garten auf ihre Helfer.
„Männer müssten das edle Stück in den Speisesaal schleppen, aufrichten und festzurren”, gibt sie beim Frühstück bekannt und dreht sich nach allen Seiten, um ihre Auswahl zu
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