Pink Christmas (German Edition)
auf der Seite.
Samuel lebt noch.
„Mensch, Toilette absperren!”, blökt der erste der Security-Guards und presst die Nasenflügel mit Daumen und Zeigefinger zu. Nach seinem Telefongespräch sprinten zwei unerfahrene junge Männer vom Roten Kreuz herbei, säubern den Jungen, heben ihn auf eine Trage, stellen diese für einen Augenblick neben den Pissbecken ab, wischen dann in der Kabine mit einem Handbesen, Hygienespray und Wasser herum, werfen schließlich dem Verletzten ein schwarzes Gummituch über und schleppen ihn weg.
Samuel stirbt.
Die Presse spricht von einem spurenlosen Sexualmord. Niemand will sich an den Toten erinnern. Nur Paulina weiß, es ist der Vater ihrer Tochter. Sofort heult sie los. Aber als der nächste Freier anklopft, wischt sie sich die Tränen aus den Augen. Immerhin hat sie eine Tochter, die am selben Tag wie Jesus geboren ist. Verheißt das nicht Glück? Ich werde ab sofort regelmäßig Weihnachten in die Kirche gehen, sinniert sie.
Lars verkriecht sich zwei Tage.
Der Bengel hat es einfach verdient!, wiederholt er ständig. Was hätte Samuel ertragen müssen? Paulina hätte ihn unter Druck gesetzt, und er, Lars, wäre der Dumme gewesen.
Schweine werden auch abgestochen.
Man sollte mit Paulina sprechen, sie trösten. Kaum gedacht, ist er bei ihr. Froh, dass sie sehr gefasst ist, auch wenn sie herumjammert. Sie sagt ihm entnervt, Samuel hätte den Sex verweigert, den Samen habe er in einem Glas aufgefangen. Jetzt könne sie keinen Unterhalt für das Kind mehr verlangen.
Lars erstarrt zur Salzsäule.
Er hatte Samuel am Heiligen Abend grundlos getötet.
In seinem Hirn beginnt es zu brodeln. Ihm ist, als schreie ihm jemand zu:
Sie ist schuld.
Er beginnt zu flennen, zu johlen, mit den Armen herumzufuchteln, sich wie ein junges Lamm aufzuführen, rennt alles um, was ihm in die Quere kommt.
„Was ist mir dir?”, fragt sie ratlos.
Schuldig!
Nein … nein … sie ist es, man sollte sie töten!
Paulina schüttelt mit dem Kopf.
Lars findet keine Ruhe.
Die Polizei stößt bei allen Ermittlungen auf taube Ohren. Man hält brüderlich zusammen.
Wenig später hört Paulina von einem Stricher, dass er ein Wort des Mörders verstanden habe: Flötenkiller. Er habe es für sich behalten.
„Die Polizei kann mir mal …”, säuselt er.
Paulina hat das Wort sofort wieder im Ohr. Es war Lars’ Jubelschrei nach jedem Orgasmus.
Dieser Hurenbock … Mörder!
Warum?
Plötzlich geht ihr ein Licht auf.
Sie wird Lars umbringen.
Rache ist die einzige Antwort.
In ihren Kreisen kann man sich Blausäure beschaffen. Wie sollte sie es anstellen, ihm ein vergiftetes Gesöff anzubieten? Endlich hatte sie kleine Kügelchen bei sich, die den Todesstoß enthalten.
Lars macht es ihr sogar leicht, er schleicht um sie herum wie ein geschlagener Hund um sein Herrchen. Was will er, denkt sie? Er fleht sie an, sich mit ihr auszuquatschen. Sie setzen sich nachts auf eine Bank auf dem Hansa platz, kein Mensch stört. Sie gießt beiden Tee mit Rum ein, lenkt ihn ab, die Kugel fällt in seinen Becher und schon trinken beide. Sie sagt noch, sie müsse mal eben … und verlässt ihn in höchster Not.
Er kippt nach vorn über, läuft bläulich an. Das Foto in der Bildzeitung ist grässlich, denkt sie, aber beruhigend.
Die Presse formuliert: „ Tod im Milieu. “
Paulina ist ungerührt. Er hat bekommen, was er verdient, lacht sie. Sie bleibt zwei Tage zu Hause, sucht Ärzte auf, nimmt ihre Tochter mit, erläutert dem Arzt, dass sie anhand ihrer Gene feststellen lassen möchte, wer tatsächlich der Vater ihres Kindes ist. Von wegen der Ansprüche …, obwohl es für sie keinen Zweifel gibt. Aber dem Kind zuliebe …
„Ich habe täglich Mehrverkehr!”
Dabei zwinkert sie dem Doktor zu, als seien sie Vertraute. Der Arzt teilt ihr mit, dass sie über eine so genannte Beistandschaft des Jugendamtes die Vaterschaft feststellen lassen könne. Paulina lehnt ab. Ein Amt? Von dort sei nichts zu erwarten, sagt sie sich. Mädchen vom Bahnhof lassen sie wissen, dass man in Holland helfen wird und geben ihr eine Adresse. Zusammen mit ihrer Tochter lässt sie sich dort beraten und legt die privaten Gutachten der Männer-DNA vor.
Tage später:
„Die Samuel-Probe stimmt nicht mit den Genen ihrer Tochter überein!”
Paulina ist sprachlos. Sie fühlt plötzlich eine schreckliche Leere, Tränen schießen ihr in die Augen.
„Sollen wir auch das zweite Zeugnis prüfen?”, fragt man sie. Natürlich, denkt Paulina,
Weitere Kostenlose Bücher