Pink Christmas (German Edition)
erklären bräuchte Worte, die es weder in deiner noch in meiner Sprache gibt. Ich will dir jetzt nur sagen, dass ich auf der Suche bin nach denen, zu denen ich gehöre, und die zu mir gehören.“
Tschunka zog erstaunt eine Augenbraue hoch. Im nächsten Moment ärgerte er sich darüber, dass dieser kindliche Reflex seine männliche Maske zunichte gemacht hatte. Doch dann siegte die Neugier des wissbegierigen Jünglings in ihm: „Aber das sind doch die, die du verlassen hast, oder nicht?!“
„Nein.“ Eine erschreckend plastische Härte fuhr in das bisher so weich anmutende Gesicht des Fremden, ließ die weiße Narbe noch stärker hervortreten. Tschunka erkannte, dass der Mann jetzt nichts weiter dazu erklären würde. Später vielleicht.
„Und dein Name?“
Zum ersten Mal wandte der Fremde den Blick von Tschunka ab, schloss die Augen und murmelte dumpf: „Ich habe keinen Namen mehr. Ich verlor ihn, als ich mein Heimatdorf verließ.“
Tschunka erschauerte. Das hieß, dass der Fremde verbannt und verstoßen worden war, weil er etwas ganz Abscheuliches und Unverzeihliches getan hatte. Rührten daher die Narben an seinem Körper? Und durfte er, Tschunka, überhaupt während seines Mannbarkeitsrituals mit einem Ausgestoßenen sprechen?
Während Tschunka noch mit diesen Zweifeln in sich kämpfte, hörte er den Mann sich ein zweites Mal demütigen:
„Gibst du mir jetzt noch etwas Wasser?“ Eine offene Bitte um Hilfe bedeutete eine große Seelenqual für einen stolzen Krieger, und das war Tschunka Anerkennung genug. Bedacht beugte er sich vor, hielt dem Fremden den Wasserbeutel an die Lippen und stützte seinen Kopf. Während der Mann in kleinen Schlucken trank, blickte er Tschunka die ganze Zeit über direkt ins Gesicht, als wollte er sich die Züge seines Lebensretters für immer einprägen. Die Lebensschuld galt also offenbar auch bei jenem Stamm weit im Westen, stellte Tschunka erleichtert fest.
Schließlich schien der Durst des Fremden gestillt. Tschunka stöpselte den bedenklich leichter gewordenen Wasserbeutel wieder zu und legte sich den Riemen um den Hals. Im nächsten Moment spürte er eine Berührung auf seiner Haut. Der Fremde hatte den Arm ausgestreckt, die Hand unter seine Tunika geschoben und sie auf seine nackte Brust gelegt. Tschunka sah auf – der Fremde blickte ihn auf eine seltsame Art an, die er nicht deuten konnte.
Lange sahen sie sich in die Augen, dann flüsterte der Fremde: „Ich danke dir, Tschunka, Häuptlingssohn, dass du dein Wasser mit mir teilst und mich nicht verstößt. Ich glaube, du weißt, wer ich bin – wer wir beide sind.“
Wieder überlief es Tschunka heiß. Was meinte der Krieger damit? Tschunka wusste noch nicht einmal genau, von welchem Stamm er kam, geschweige denn, woher er seinen Namen kannte.
Doch noch mehr als diese offensichtlichen Fragen beunruhigte ihn das Gefühl, das sich von der Handfläche des Mannes aus auf seiner glatten Brust und über den gesamten Körper ausbreitete: wohlige Wärme und kribbelnde Sehnsucht nach mehr. Vorsichtig und ohne den Fremden aus den Augen zu lassen, schob er seine Fingerspitzen auf dessen Handrücken und wagte es, sanft über die raue Haut zu streichen. Mit einem Mal wünschte er sich, diese Finger mögen weiter wandern und noch mehr von ihm berühren. Scheu beugte er sich ihnen entgegen, nur ein Stückchen, fast unmerklich.
Doch die sensiblen Fingerkuppen hatten die Bewegung sofort gespürt und glitten – zögernd zuerst, doch dann immer sicherer – über seinen Brustkorb, hinüber zu der anderen Brustwarze, die sich verlangend versteifte, und dann hinauf zu seinem Hals und in seinen Nacken, wo sie ihn schließlich packten und vollends hinunterzogen. Hinunter zu dem Gesicht des Fremden, dessen Atem Tschunka entgegenschlug wie würzigheißer Steppenwind. Mit einem letzten, ängstlichen Blick in die Goldaugen verschloss Tschunka den Mund des anderen vorsichtig mit seinen Lippen.
Neugierig tauchte er ein in diese warme, feuchte Höhle, ertastete und erforschte sie, kundschaftete jeden Winkel aus. Der Fremde ließ es nur zu gerne geschehen, öffnete sich ihm ganz und lockte seine tastende Zunge bis tief in sich hinein. Nach einer Weile jedoch drängte er ihn zurück und sich selbst voran, und Tschunka gewährte ihm schließlich Einlass in sein eigenes Reich, um ihn in sich gleiten und tanzen zu spüren. Längst lagen sie dicht beieinander, Haut an Haut, fest miteinander umschlungen, und Tschunkas Hände versuchten,
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