Pink Christmas (German Edition)
wurde, sondern stattdessen diesem Krieger bei dessen Mission half, wie auch immer die aussah.
Schließlich wandte Tschunka sich wieder dem anderen zu. Er hatte die ganze Zeit dessen Blick auf seinem Rücken gespürt, hatte gemerkt, wie dieser ihn taxierte und jeden seiner Handgriffe beobachtete. Aus irgendeinem Grund hatte sich Tschunka bei der Arbeit bewusster bewegt, beim Häuten die Muskeln besonders angespannt und auch sonst viel Wert darauf gelegt, seinen Körper zu strecken. Irgendwie wusste er, dass dieses Spiel nicht nur ihm gefiel.
Die Jagd und die Arbeit danach hatten ihn von seinen Fragen abgelenkt, doch nun war es Zeit, sich ihnen zu stellen. Und vielleicht konnte der fremde Krieger ihm einige Antworten geben. Aber zunächst brauchte er einen Namen.
„Ich wüsste keinen Namen, dessen ich in den Augen der weisen Männer würdig sein könnte“, antwortete der Krieger monoton.
Tschunka hatte das Gefühl, dass dies nicht aus Überzeugung gesagt wurde. Beinahe trotzig erwiderte er: „Das mag sein, aber ich zähle mich nicht zu den Weisen, und weil ich vernünftig mit dir reden will, werde ich dir einfach einen Namen geben, der nur für mich gilt. Ich werde dich Amutilla nennen, das bedeutet in meiner Sprache soviel wie ‚Seltsam’. Denn was hier geschieht, ist wirklich sehr seltsam und verwirrend für mich.“ Tschunka schwieg einen Augenblick, um die Zustimmung des Kriegers abzuwarten. Der starrte jedoch weiter blicklos vor sich hin, als wäre er in Gedanken weit fort, an dem Ort der Erinnerungen, die Tschunka heraufbeschworen hatte.
Tschunka griff nach dem Lederbeutel an seinem Hals und reichte ihn Amutilla: „Hier, trink noch etwas Wasser.“
Der Wasserbeutel war schon fast leer. Amutilla befeuchtete sich kaum die Lippen. Er wusste, dass Tschunka selbst seit gestern Nachmittag nicht einen Schluck getrunken, sondern das Wasser ganz für ihn aufgespart hatte. Der Junge ging hart mit sich ins Gericht, selbst für jemanden, der das Mannbarkeitsritual durchführte.
Tschunka hatte währenddessen die gesammelten Blätter zu einem feinen Pulver zerrieben, von dem ein angenehmer, belebender Geruch ausging. Äußerst sorgfältig dickte er das Pulver in seiner hohlen Hand mit ein paar Tropfen Wasser zu einer Paste an, nahm dann etwas davon auf den Finger und näherte sich damit Amutillas Gesicht. Deutlich spürte er das Unbehagen des Kriegers ob dieser Annäherung und erklärte daher mit sanfter Stimme: „Halt still. Das hier wird dich beleben und deine innere Schwäche lindern.“
Widerstrebend wandte Amutilla ihm sein Gesicht zu, ließ es geschehen, dass Tschunka mit sanften Bewegungen über die raue Haut strich und die kühle Paste auf der Stirn und unter den Augen verteilte. Wie zufällig strich der Finger auch über die tiefe Narbe, und mit so etwas wie Bewunderung, beinahe Zärtlichkeit im Blick, flüsterte der junge Bursche: „Eine harte Strafe. Und doch macht sie dich schön. - Erzähle mir genauer, Amutilla, woher du kommst, und was geschehen ist, dass du die heimischen Tipis verlassen und so weit fortgehen musstest.“
Mit den letzten Worten hatte Tschunka sich aufgerichtet und sich dem Bann, der ihn schon wieder zu befallen drohte, rasch entzogen, bevor erneut Dinge geschehen konnten, die einzugestehen ihm noch immer schwer fiel.
Amutilla ließ den Blick in den mittäglich fahlblauen Himmel schweifen, während Tschunka steif und aufrecht im Grätschsitz neben ihm verharrte. Schließlich begann Amutilla zu erzählen:
„Es ist schon einige Sommer her, dass ich das erlebte, was du heute erkanntest. Auch ich stand kurz vor meinem Mannbarkeitsritual, doch statt mich darauf zu freuen und ungeduldig zu sein, verspürte ich Angst und Unbehagen, denn ein Krieger zu werden bedeutet bei meiner Sippe auch – und ich nehme an, bei deiner ist es nicht anders - , ein eigenes Herdfeuer zu gründen und Frauen zur Seite zu nehmen. Frauen, die man ernähren und beglücken muss, um Nachkommen zu zeugen und den Stamm zu erhalten. Doch ich fand die Vorstellung, bei einer Frau zu liegen, sehr unangenehm. In meinen Träumen spielten sie keine Rolle, und es gab keine, zu der ich mich hingezogen fühlte.
Dagegen gab es einen jungen Krieger, Trinoth, den ich mehr verehrte, als es mir zustand. Er hatte noch keine Frauen gewählt, obgleich es längst an der Zeit für ihn war. Sein Zögern wurde vom Stamm schon mit Argwohn beobachtet. Es belastete mich, mit diesem unsauberen Gewissen ins Mannbarkeitsritual gehen zu
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