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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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hatten
umlaufende Galerien, die auf einen übelriechenden Swimmingpool hinausgingen.
Niemand schwamm jemals darin, nur in der brütendsten Hitze versammelten sich
die Leute am Rand, um sich die Füße abzukühlen. David war die meiste Zeit weg.
Wenn ich wusste, dass er länger nicht wiederkommen würde, holte ich Lilys
Briefe. Dann saß ich auf den heißen Stufen vor seiner Wohnung, rauchte seine
Zigaretten und las darin. Ich war erleichtert, nicht mehr im Serena Hostel
übernachten zu müssen, denn obwohl ich mich immer noch ständig nach Verfolgern
umsah, fühlte ich mich doch sicherer als zuvor.
    »An meinen Liebling«, schrieb der anonyme Verfasser. »Erinnerst Du
Dich an die Mondfinsternis? Du hast [185]  mich gefragt, wie es dazu kam, und als
ich es Dir erklärt habe, Du Liebste, bekam Dein Blick etwas so bezaubernd
Nachdenkliches, und Du hast gesagt: ›Aha, es ist also eine geometrische
Fügung.‹ Wie schön Du das formuliert hast, dachte ich. Du mochtest Wörter. Ein
andermal hab ich Dir ›Nichtlokalität‹ erklärt – ein Phänomen, das ich selbst
kaum verstand: wenn zwei Teilchen über große Entfernungen aufeinander
einwirken. Wieder mochtest Du das Wort. Immer wieder hast Du mir
›Nichtlokalität‹ ins Ohr geflüstert, liebevoll, wie ein Kosewort.
    Ich wollte Dich beeindrucken, indem ich Dir diese Theorie der
Quantenphysik erklärte, doch jetzt kommt es mir so vor, als könnte genau das
der Beweis jener magischen Korrespondenz zwischen weit voneinander entfernten
Gebilden sein, die über unvorstellbar große Strecken im Raum viel schneller als
in Lichtgeschwindigkeit miteinander kommunizieren. Es heißt ›Verschränkung‹.
Über das Wort hast Du gelacht, hast es immer und immer wieder vor Dich
hergesagt – mal leise, mal mit hoher Stimme, fröhlich, traurig – und dabei die
ganze Zeit Deine Hände betrachtet, die wirre Muster in die Luft malten.
    Du sahst so schön aus, aber mir macht es Angst, dass ich mich nicht
mehr an die Muster erinnern kann, die Deine Hände in die Luft zeichneten, oder
daran, wie Du Deine Haare getragen hast. Selbst wenn Du bei mir bist, habe ich
manchmal das Gefühl, Dich zu erfinden, als gäbe es Dich nur in meiner
Phantasie. Manchmal nehme ich Dich aus dem Augenwinkel wahr, obwohl Du
unmöglich da sein kannst. Gott, Du weißt, dass [186]  ich Dich liebe, aber manchmal
verwandeln sich meine Erinnerungen einen kurzen Moment lang in ätzende Säure.
    Erinnerst Du Dich an das erste Mal, als wir miteinander geschlafen
haben? Ich lag flach auf dem Bett. Du drehtest mir den Rücken zu und nahmst
mich in Dir auf, so dass ich nichts sah als Deine Pobacken und Deine Schultern,
die sich mir entgegendrängten. Deine Hüften bogen sich wie die eines Tieres,
Deine Fußsohlen krümmten sich zusammen, und ich fühlte mich vollkommen
losgelöst von dem Orgasmus, der schließlich über Deinen Rücken bebte. Ich weiß
nur noch, wie Dein Haar im Dämmerlicht hin- und herschwang und wie Du kurz
davor die Hände zum Kopf führtest wie eine Rodeoreiterin.
    Als Du gekommen warst, bei diesem ersten Mal, wussten wir einen
peinlichen Moment lang nicht, was nun. Denn wie löst man sich aus einer solchen
Position, die nicht gerade dazu einlädt, anschließend zärtlich zu kuscheln oder
vertraute Gespräche zu führen? Meine Hände ruhten lose auf Deinen Hüften, Dein
Körper war entspannt. Du hast Dich schließlich nicht einmal umgedreht, einfach
das Kondom zwischen zwei Fingern festgehalten und den Po ein wenig angehoben.
Dann bist Du ins Bad gegangen, um mich von Deinem Körper abzuwaschen, und hast
mich verwirrt darüber zurückgelassen, wie ein so wunderschönes Wesen so banal
sein kann.
    Manchmal bist Du in meiner Erinnerung nicht die Schönheit, die Mambo
tanzt oder mir ihre Träume [187]  erzählt, sondern wieder jene Hure, die mir in dieser
ersten Nacht den Rücken zuwandte und mich kaum geküsst hat. Das klingt zornig,
es tut mir leid. Ich meine es nicht so. Manchmal liebe ich Dich zu sehr. In
Liebe, auf immer und ewig.«
    Ich fand den Brief schön, und doch beunruhigte er mich. Ich faltete
ihn wieder so zusammen wie zuvor und steckte ihn weg. Die Briefe hinterließen
bei mir das Gefühl von etwas Unbeständigem, von etwas, das noch nicht beendet
war.
    David kam oft die ganze Nacht nicht nach Hause, doch wenn er da war,
schien er mich gern um sich zu haben. Ich war jedes Mal erleichtert, wenn ich
ihn hörte. Manchmal ertappte ich ihn dabei, wie er mich anlächelte, aber dann
wieder

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