PinkMuffin@BerryBlue. Betreff: FernWeh (German Edition)
Ming-Vase so bekannt?« Sie beantwortete ihre Frage Gott sei Dank selbst: »Weil ab dem 17. Jahrhundert, also noch während der Ming-Dynastie, China Porzellan nach Europa exportierte. Die Fürstenhöfe des Rokoko waren begeistert. Zuerst waren es die Portugiesen und die Spanier, die das Porzellan mit ihren Schiffen nach Europa brachten, später die Holländer und die Briten.«
»Äh, Großmama .. .«, startete ich einen Versuch. Vergeblich.
»Gleich, mein Kind, lass mich noch meinen Satz beenden.«
Eigentlich war der Satz ja beendet.
»Du fragst dich sicher, warum man in Europa nicht selbst Porzellan hergestellt hat?«
Nee, eigentlich frage ich mich das nicht, ich frage mich eher, ob ich die besten Jahre meines Lebens hier im Esszimmer meiner Großmutter verbringen werde, bis wir die Han, Yan-, Ming-, Quing- oder Sonst-wie-Dynastie hinter uns gebracht haben. China ist ein altes Land mit viel Kultur, das kann dauern.
»Nun, selbstverständlich versuchte man es, aber zunächst mit mäßigem Erfolg. Erst 1709 gelang es Johann Friedrich Böttger am Hofe August des Starken das richtige Verhältnis von Kaolin, Feldspat und Quarz zu mischen, et voilà – das Porzellan!«
Ich bemühte mich, mindestens ebenso glücklich auszusehen wie damals wahrscheinlich dieser Böttger, aber der Vortrag ermüdete mich.
Meine Großmutter jedoch blühte zusehends auf. »Und schon bald entstanden Porzellanmanufakturen, die die führenden Fürstenhöfe Europas belieferten. Meißen ist dir doch ein Begriff, nicht wahr?«
Ich nickte. »Bei dir essen wir unseren Kuchen von Meißner Porzellan.«
»Sehr richtig. Aber nun zurück zu den Ming-Vasen.«
Ich schaute alle Vasen der Reihe nach an. Welche würde sich wohl am besten eignen? Du hättest mir die Vase beschreiben sollen.
»Mathilda, hörst du mir überhaupt zu?«
Oh, endlich, ich durfte was sagen.
»Großmama, ich habe eine Frage.«
»Frag, mein Kind, dafür bist du hier: um zu lernen.«
Ich holte tief Luft und entschied mich für einen Frontalangriff. »Wenn du mit einer dieser Vasen ein Leben retten könntest, würdest du es tun?«
Sie schaute mich lange an, dann meinte sie: »Dein Freund Berry ist in Schwierigkeiten?«
Also, ich sag Dir, Berry, wenn ich gerade eine Vase in der Hand gehabt hätte, hätte ich sie fallen lassen, Ming hin, Ming her.
»Wie kommst du denn darauf?!«, fragte ich.
»Also: ja«, stellte meine Großmutter fest.
Ich nickte etwas bedrückt.
Sie schüttelte den Kopf. »Ein sehr merkwürdiger Junge.« Dann wiegte sie den Kopf hin und her. »Aber immerhin hat er meinen Picasso gerettet. Deshalb werde ich keine weiteren Fragen stellen.«
»Danke!«, rief ich. »Also hilfst du ihm?«, fragte ich.
»Braucht er Geld oder wirklich eine Vase?«
»Er braucht eine Vase. Weißt du, das war so: Er war doch in Tokyo und da haben Gang .. . Gau .. . Verbr .. .«
»Was denn nun?«
» .. . Leute ihm eine Vase geschenkt, die sie jetzt wiederhaben wollen, aber die Vase ist verschwunden und nun muss er sie ersetzen.«
»Mit einer anderen Vase?«
»Na, es ist einen Versuch wert. Diese Leute scheinen ziemlich sauer zu sein. Vielleicht besänftigt sie das.«
»Geschenke zurückzufordern, gehört nicht zur japanischen Tradition, ich wundere mich etwas darüber. Aber nun ja. Wenn dein Freund Berry eine Vase haben möchte, dann soll er sich eine aussuchen.«
Ich war platt. »Im Ernst? Du würdest eine deiner Ming-Vasen verschenken? Die sind doch unersetzbar!«
»Mathilda! Was du hier siehst, sind Kopien. Meine Originale sind im Museum, ich habe sie gestiftet. Du weißt doch, dass ich der Meinung bin, großartige Kunstwerke gehören nicht in Privathäuser, sondern in die Öffentlichkeit, damit alle etwas davon haben.«
»Ach so, Kopien«, sagte ich erleichtert und nahm eine der Vasen in die Hand.
Meine Großmutter sah mich an. »Dir ist aber schon klar, dass solche originalgetreuen Kopien auch viele Tausend Euro wert sind!«
»Oh.« Ich stellte die Vase schnell zurück. »Also, du meinst wirklich, Berry soll hierherkommen und sich eine Vase aussuchen?«
»Hab ich das nicht eben gesagt?«
»Doch, doch, aber ich .. . na ja, also .. . das ist wirklich ganz arg lieb von dir, Großmama. Ich schreib ihm gleich ’ne Mail und sag ihm, dass er kommen soll.«
»Wieso rufst du ihn nicht an?«
»Weiß nicht, wir telefonieren nie. Ich hab noch nicht mal seine Nummer. Wir sind eher E-Mail-Leute, wir sind daran gewöhnt, uns Mails zu schreiben. Schreiben macht mehr
Weitere Kostenlose Bücher