PinkMuffin@BerryBlue. Betreff: IrrLäufer (German Edition)
gelöst. Ich hab angefangen, ganz gezielt Geld zu sammeln. Also, ich hab mein Taschengeld zur Seite gelegt (ist keine Leistung, weil ich ja sowieso alles bezahlt bekomme, was ich brauche, und ich brauche ja eigentlich nichts), dann hab ich mir gelegentlich für dieses und jenes außer der Reihe Geld geben lassen – hat auch funktioniert – und dann bin ich auf die Idee gekommen, die Designer-Klamotten, die meine Mutter immer für mich anschleppt, über eBay zu verkaufen. Außerdem Koffer. Meine Mutter hat nämlich einen Reisegepäck-Tick.
Letztes Jahr vor Weihnachten spielte sich bei uns folgende Szene ab, und das war der Initialfunke für die groß angelegte Geldsammelaktion: Meine Mutter hatte mir einen neuen Koffer gekauft. Louis Vuitton. Was sonst. (Und bitte: VOR Weihnachten, so als ob ich nicht ein paar Tage später ohnehin mit Geschenken überhäuft werden würde, aber na ja.)
„Mam! Ich brauch keinen neuen Koffer“, hab ich ihr gesagt und mit dem Fuß gegen das Ding gekickt.
„Xeni, man braucht immer neue Koffer“, meinte sie und war etwas abgelenkt, weil sie ihr Spiegelbild im Glasschrank betrachtete. Sie war wohl nicht so ganz zufrieden mit ihrer Erscheinung, denn während sie weiter auf mich einquasselte, frisierte sie ihr Haar um.
Ich maulte: „Du schleppst ständig neue Koffer für mich an! Inzwischen hab ich fünfzehn Stück!“
Meine Mutter drehte ihren Kopf leicht zur Seite und seufzte: „Ich muss Achmed anrufen, er muss vorbeikommen und was mit meinem Haar machen.“
Achmed ist unser Beitrag zur Völkerverständigung und Sklavenbefreiung. Er war bei dem Friseurladen angestellt, zu dem meine Mutter immer ging. Aber nachdem er zweimal keine Zeit hatte, als sie unangemeldet auftauchte, hat sie ihn „freigekauft“ und nun steht er ihr als „Selbstständiger“ jederzeit zur Verfügung.
Ihr Blick fiel wieder auf mich. Sie strahlte. „Gefällt dir dein neuer Koffer?“
„Ich brauch keinen neuen“, wiederholte ich.
Sie schaute mich an, dann wurde ihr Blick kritisch. „Und um deine Haare sollte er sich auch mal kümmern!“
In puncto Aussehen bereite ich ihr nämlich wirklich Kummer. ’ne lebensgroße Barbiepuppe wäre die perfekte Tochter für sie.
„Ach, Xenilein“, seufzte sie (wie immer), „du könntest sooo guuut aussehen. Mit etwas Make-up und schickerer Kleidung. Lass uns mal mit deiner Frisur anfangen.“
„Hab keine Zeit“, knurrte ich. „Ich muss jetzt ein bisschen mit meinem neuen Koffer spielen!“
Über das Thema Aussehen werden wir uns wohl nie einigen können. Ich finde nämlich, dass ich bereits gut aussehe, und zwar ohne Kosmetik. Aber sie will mich ständig „aufhübschen“ und mir Designer-Fummel anziehen. Und die Designer-Nummer verstehe ich nun schon gar nicht. Wieso sieht man besser aus, wenn man einen Pulli mit Logo trägt?! Bringt so ein winziges (oder – würg – flächendeckendes) Markenzeichen das Blau, Grün oder Braun der Augen besser zur Geltung? Macht es den Teint glatter, strahlender? Jaul!!
Na, egal. Jedenfalls nahm ich das Monster-Ding von Koffer und schleppte es in mein Zimmer.
Ich war ziemlich sauer, aber dann fiel mir plötzlich ein, was ich mit meinem Koffer machen könnte: Ich könnte ihn zu Geld machen. Über eBay. War ein voller Erfolg.
Dasselbe hab ich dann mit Kleidern gemacht und allem anderen, was teuer ist und was ich nicht brauche.
Seither bestelle ich regelmäßig neues Reisegepäck bei meiner Mutter. Sie ist absolut happy darüber, weil ich endlich mal etwas „Stil“ zeige, und ich bin auch happy darüber, weil es „leicht verdientes“ Geld ist.
Wenn sie sich nach etwas erkundigt, was sie mir gekauft hat, sag ich nur: „Keine Ahnung, wo das ist. Ich denke mal, in meinem Zimmer. Soll ich es holen? Willst du es sehen?“
Sie schaut mich dann erstaunt an. „Wieso sollte ich es sehen wollen? Ich weiß, wie es aussieht, ich hab’s dir doch gekauft.“
Ich lächle und sage: „Stimmt. Wie dumm von mir.“
Damit ist die Sache erledigt.
Und wenn es eng wird und sie doch nachfragt, muss ich nur kritisch auf ihre Frisur gucken und fragen: „Sag mal, hast du was anderes mit deinen Haaren gemacht?“
Dann springt sie entsetzt zum nächsten Spiegel und die Sache ist vergessen. (Und Achmed verdient sich wieder ein bisschen Extra-Geld.)
Oh, Mist, meine Mutter ruft nach mir, klingt, als ob ich Ärger kriegen würde. Weiß allerdings nicht, wieso, hab immer mehrere Sachen laufen. Mal sehen, was sie entdeckt hat.
Bis
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