PinkMuffin@BerryBlue. Betreff: IrrLäufer (German Edition)

später!
    Gruß,
    MAX
     
     
    Von: BerryBlue
    An: PinkMuffin
    Betreff: Hüpfli
     
    Hi, MAX!
    Wo warst Du? Ich dachte, Du wolltest kommen? War das wegen Deiner eBay-Koffer-Nummer? (Finde ich übrigens echt gut!)
    Ich war schon ein bisschen enttäuscht, dass ich mir den ganzen Stress umsonst gemacht habe. Ich hasse nämlich Stress! Immer wieder hab ich nach Dir Ausschau gehalten, aber niemand, der in unserem Café saß, kam infrage. Ich war schon enttäuscht, aber ich bin nicht verliebt oder so ’n Quatsch. Wie gesagt, die Mädchen hab ich erst mal abgehakt. Überhaupt, wofür hältst Du mich? Für ’nen liebeskranken Kater, der nachts durch die Straßen streunt und nach „MAX-Kätzchen“ miaut? Woher soll ich wissen, ob ich mich in Dich verliebe oder Du Dich in mich oder was weiß ich? Ich kenn Dich doch überhaupt nicht! Ich war halt nur nervös. Ja, und ich geb’s zu: Das hat auch was mit meinem Aussehen zu tun. Freundschaft wäre gut, wäre sogar supergut, denn Freunde habe ich auch nicht so richtig viele. Aber wohl aus anderen Gründen als Du.
    Welche Etiketten meinst Du eigentlich? Sind das diese weißen Zettel in den Klamotten? Steht da was drauf? Meine Sachen liegen entweder dreckig im Keller oder sauber in meinem Schrank. Was dazwischen passiert, weiß ich gar nicht so genau. Vor allem aber würde ich deshalb keine Briefe schreiben – oder von einem Anwalt schreiben lassen. Vor allem nicht, nach dem, was heute Nachmittag in unserem Café passiert ist.
    Gerade hatte ich eine rüstige 70-Jährige gefragt, ob sie vielleicht „MAX“ heißt, da taucht „Gelman“ Dreher auf. Er kommt siegessicher hereinstolziert wie ein Gockel. In seinem Schlepptau die Verschrumpelte und die Aufgeblasene. Die Verschrumpelte gackert zwar nicht, hat aber wieder diese schrillen Klamotten an, dieses Mal mit einem Gemüsebeet auf ihrem grell geschminkten Knitterkopf. Dreher legt meinen Eltern gleich einen Wisch auf die Theke. Da steht in einem verquasten Anwaltsdeutsch drauf, dass sie 20 000 Euro als Entschädigung für die Vergiftung seiner Mandantin zahlen sollen und dass dann alles vergessen wäre.
    „Ogottogott“, jammert meine Mutter.
    Bei meinem Vater kann ich deutlich ein paar dicke Adern auf der Stirn sehen. Er wirft mir einen kurzen Blick zu. Aber der ist eindeutig und heißt: Wo, zum Kuckuck, bleibt Kuhlhardt?
    Ich sehe mich verzweifelt nach ihm um, aber nichts.
    MAX und Kuhlhardt. Beide lassen mich im Stich, denke ich noch.
    Schließlich sagt mein Vater schlicht und ergreifend: „Wir haben das Geld nicht.“
    Dreher und die beiden Omas verziehen keine Miene. Nur die Verknitterte spitzt ihren knallroten Lippenstiftmund und schmatzt leise.
    Dreher plustert sich auf und meint mit einem unerträglich affigen Grinsen: „Das ist aber schlecht für Sie. Dann werden wir dafür sorgen müssen, dass Ihr schönes Café geschlossen wird. Wollen Sie das?“
    „Wollen wir das. So eine dämliche Frage kann auch nur ein Anwalt stellen.“
    Da stehen sie, als wären sie vom Himmel gefallen: Kuhlhardt und Lipinski. Lipinski sagt mir schnell noch Guten Tag, aber das stört mich nicht im Geringsten. Die Hose musste sowieso in den Keller.
    „Was sind Sie denn für einer?“, schnauzt Dreher Kuhlhardt an.
    „Was bin ich denn für einer.“
    Dreher schnappt nach Luft. „Geht Sie das hier etwas an?“
    „Geht mich das hier etwas an. Allerdings, Sie Schmierenkomödiant.“
    „Das ist eine Unverschämtheit!“
    „Pappnase.“
    „Beleidigung!“
    „Weichei.“
    „Ich verklage Sie!“
    „Dumpfbacke.“
    „Ich habe Beweise!“
    „Fake!“
    „Wie?“
    „Wie. Bullshit! Alles gefälscht!“
    Plötzlich schrumpft Dreher zusammen, als hätte jemand die Luft aus ihm herausgelassen. Die Aufgeblasene hingegen sieht aus wie kurz vor der Explosion und die Verschrumpelte schmatzt vor sich hin wie meine dreijährige Cousine beim Spaghettiessen.
    „Was wollen Sie von mir? Wer sind Sie?“, ruft Dreher schon fast verzweifelt.
    Das tat gut. Kannst Du mir glauben!
    „Wer sind wir. Kuhlhardt und Lipinski. Was wollen wir. Nehmen Sie Ihre beiden Omas unter den Arm, stecken Sie sich Ihren lächerlichen Zettel sonst wohin und lassen Sie sich nie wieder blicken.“
    „Aber meine Mandantin wurde vergiftet!“
    Kuhlhardt zieht sich seinen Hut ein Stück tiefer in die Stirn. Sah echt cool aus! „Vergiftet“, sagt er dann mit seiner supertiefen Reibeisenstimme. „Alkohol? Gackern? Flugversuche? Ei legen?“
    „Genau!“, kreischt Dreher.