Pioniere des Kosmos
anderen ihre Ausbildung auf der Erde machen. Manche bleiben dann dort hängen, aber die meisten kommen wieder zurück. Für sie ist die Heimat dort draußen.«
»Aber Sie haben gesehen, wie Ihre Eltern umkamen. Was kann Ihnen die Heimat dann noch bedeuten?«
Er lächelte. »Ich habe es vielleicht gesehen, aber meine Erinnerung ist nicht mehr so deutlich. Ich war damals erst sechs. Ich weiß eigentlich nur noch, daß das Haus brannte und daß ich es aus einem Versteck im Gebüsch brennen sah. Was ich sonst über die Sache weiß, habe ich von Brot Halliday und den Leuten seiner Station. Halliday ist seit damals mein Ziehvater.«
Sie schüttelte nachdenklich ihren Kopf. »Und es waren die Meda V’Dan?« sagte sie. »Erzählen Sie, was geschah.«
Er tat es.
Es war an einem Sommerabend im Nordwestsektor von Garnera VI, als die Kolonisten des Bezirks den roten Widerschein des Feuers auf den tiefhängenden Wolken des Nachthimmels sahen. Aber weil sie wußten, daß sie gegen ein Schiff der Meda V’Dan nichts ausrichten konnten, flohen sie – sofern sie im näheren Umkreis der Station lebten und sich selbst bedroht fühlten – in die Wälder und blieben bis zum Morgen dort. Als die während der Nachtstunden verständigten Grenzer der nächsten Station gegen zehn Uhr mit ihren bewaffneten Luftkissengleitern über der ausgebrannten Station erschienen, gab es nicht mehr viel für sie zu tun. Das Schiff der Meda V’Dan war mit den Wolken und der Nacht verschwunden, und von der Station Abruzzi Fünfzehn waren nur noch ausgeräumte Lagerhäuser und die ausgebrannte Ruine des Wohn- und Verwaltungsgebäudes übrig – geborstener, rauchgeschwärzter Beton, qualmende Asche und Schutt. Und dazwischen ein weinender, verstörter kleiner Junge, der auf die Fragen der Helfer nicht viel zu sagen wußte.
Brot Halliday, der Direktor der Nachbarstation, rief seine Leute zusammen, legte seine Rechte auf den Kopf des Jungen – der darauf noch mehr weinte – und sagte: »Ihr wißt alle, daß Mark der Sohn von Chav und Lila ist, und weil er keine weiteren Angehörigen hat, werde ich ihn zu mir nehmen und versuchen, die Vaterstelle auszufüllen. Wollt ihr das bezeugen?«
Die fünf Stationsassistenten nickten, und mit diesem Nicken war die Adoption so endgültig wie jede andere, die auf der Erde von einem Vormundschaftsrichter ausgesprochen wurde.
»Gut, für den Jungen ist also gesorgt«, sagte Price, der Brot Hallidays Stellvertreter war. »Aber die Meda V’Dan sind mit ihrer Beute davongekommen, und wieder in unserem Sektor. Das muß sie ermutigen. Wir sollten uns überlegen, was wir zur Abschreckung tun können.«
Brot Halliday starrte finster in die stinkende Asche. »Ja, das ist unser Problem«, sagte er. »Und wenn wir aus diesem Überfall eine Lehre ziehen können, dann die, daß Unvorsichtigkeit tödlich sein kann. Eine Station muß zu allen Zeiten voll besetzt sein und einen Schichtdienst an der Radarwache haben, auch wenn jahrelang nichts passiert. Aber hier ist es zu spät. Wer weiß? Vielleicht wird der Junge es ihnen heimzahlen, wenn er erwachsen ist.«
Price sagte nichts mehr. Er hielt wenig von Prophezeiungen, aber er kannte Brots cholerisches Temperament zu gut, um die Zweifel auszudrücken, die ihn beim Anblick des blassen kleinen Waisenjungen beschleichen mochten. Er zog es vor, die Zukunft dieses armen Wurms nicht mit der Hypothek leichtfertiger Weissagungen zu belasten. Darum hatte er in den folgenden Jahren, während Mark unter seinen Augen aufgewachsen war, niemals über diese Dinge gesprochen. Er hatte weiter seine Arbeit getan, bis er zwei Jahrzehnte später bei einem Überfall der Meda V’Dan auf Brot Hallidays Station getötet worden war.
Dieser letztere Überfall hatte dazu geführt, daß der kleine Waisenjunge von einst, inzwischen ein erfahrener Grenzer, der sich gerade für den Posten eines Stationsdirektors qualifiziert hatte, seinen auf drei Jahre angelegten Erdaufenthalt bei seinem Freund und Förderer Wilkes Danielson vorzeitig abgebrochen hatte. Den Anstoß dazu hatte ein kurzer und nüchterner Brief vom Hauptquartier des Grenzschutzkorps in Port of Spain, Trinidad, gegeben, dessen Wortlaut Mark mittlerweile auswendig wußte:
Lieber Mr. ten Roos:
Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, daß Ihr Adoptivvater bei einem Überfall abtrünniger Meda V’Dan auf seiner Station am 32. März des lokalen Kalenders von Camera VI schwer verletzt worden ist. Nach den vorliegenden Informationen
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