Pippi Langstrumpf
Alexandersson: „Ich bin ja nicht ganz sicher, aber ich vermute stark, daß meine Hulda stiehlt. Ich habe tatsächlich gemerkt, daß einige Sachen weggekommen sind.“
„Malli …“ fing Pippi an, aber da sagte Frau Settergren:
„Die Kinder gehen ins Kinderzimmer hinauf – sofort!“
„Ja, aber ich wollte nur erzählen, daß Malli auch gestohlen hat“, sagte Pippi. „Wie ein Rabe! Alles, was nicht niet- und nagelfest war. Mitten in der Nacht stand sie gewöhnlich auf, um ein bißchen zu stehlen, sonst konnte sie nicht ruhig schlafen, sagte sie. Einmal klaute sie Großmutters Klavier und schleppte es runter in ihr oberstes Kommodenschubfach. Sie war sehr fingerfertig, sagte Großmutter.“
Jetzt nahmen Thomas und Annika Pippi unter den Arm und zogen sie die Treppe hinauf. Die Damen tranken ihren Kaffee weiter, und Frau Settergren sagte:
„Ich will ja nicht gerade über meine Ella klagen, aber viel Porzellan schlägt sie entzwei, ja, das muß ich sagen.“
Ein roter Kopf erschien plötzlich oben auf der Treppe.
„Um auf Malli zurückzukommen“, sagte Pippi, „was die für Porzellan kaputtgeschlagen hat! An einem ganz bestimmten Wochentag tat sie es. An den Dienstagen, hat Großmutter gesagt. Jeweils um fünf Uhr am Dienstagmorgen konnte man das prächtige Mädchen in der Küche Porzellan zerschlagen hören. Sie begann mit den Kaffeetassen und Gläsern und mit anderen leichten Sachen, um dann mit den tiefen Tellern fortzufahren und dann mit den flachen, und sie schloß mit den Bratenschüsseln und Suppenterrinen. Das war den ganzen Vormittag ein Krach in der Küche, daß es die reine Freude war, sagte Großmutter. Und wenn Malli am Nachmittag auch noch Zeit hatte, ging sie mit einem kleinen Hammer in den Salon und schlug die antiken ostindischen Teller, die an den Wänden hingen, herunter. Jeden Mittwoch kaufte Großmutter neues Porzellan“, sagte Pippi, und sie verschwand oben von der Treppe wie ein Stehaufmännchen in der Schachtel.
Aber jetzt war es mit Frau Settergrens Geduld zu Ende. Sie lief die Treppe hinauf, ins Kinderzimmer hinein und zu Pippi hin, die gerade angefangen hatte, Thomas beizubringen, auf dem Kopf zu stehen.
„Du darfst niemals mehr herkommen“, sagte Frau Settergren, „wenn du dich so schlecht benimmst.“
Pippi sah sie verwundert an, und langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen.
„Das konnte ich mir ja denken, daß ich mich nicht benehmen kann. Es hat keinen Zweck, es zu versuchen, ich werde es doch niemals lernen. Ich hätte auf dem Meer bleiben sollen.“
Dann machte sie einen Knicks vor Frau Settergren, verabschiedete sich von Thomas und Annika und ging langsam die Treppe hinunter.
Aber jetzt waren die Damen auch dabei, nach Hause zu gehen. Pippi setzte sich auf den Schirmständer im Korridor und sah zu, wie die Damen sich die Hüte aufsetzten und die Mäntel anzogen.
„Wie schade, daß Sie mit Ihren Mädchen nicht zufrieden sind“, sagte Pippi leise. „Sie sollten so eine gehabt haben wie Malli. So was von einem guten Mädchen gibt es nicht wieder, hat Großmutter immer gesagt. Denken Sie nur, einmal zu Weihnachten, als Malli ein ganzes gebratenes Ferkel servieren sollte, wissen Sie, was sie da gemacht hat? Sie hatte im Kochbuch gelesen, daß das Weihnachtsferkel mit gekräuseltem Papier in den Ohren und einem Apfel im Mund serviert wird. Und die arme Malli hatte nicht begriffen, daß das Ferkel den Apfel im Mund und das gekräuselte Papier in den Ohren haben sollte. Das hätten Sie sehen sollen, wie sie am Weihnachtsabend mit gekräuseltem Kreppapier in den Ohren und mit einem großen Gravensteiner im Mund hereinkam. Großmutter sagte zu ihr: ,Du bist ein Schaf!‘ Und Malli konnte ja kein Wort zu ihrer Verteidigung hervorbringen, sondern sie wackelte nur mit den Ohren, so daß das gekräuselte Papier raschelte. Sie versuchte zwar, etwas zu sagen, aber es wurde nur ,blub, blub, blub‘. Ja, das war kein schöner Weihnachtsabend für die arme Malli“, sagte Pippi traurig.
Die Damen waren jetzt fertig angekleidet und sagten Frau Settergren ein letztes Lebewohl. Und Pippi lief zu ihr hin und flüsterte: „Verzeihen Sie mir, daß ich mich nicht benehmen konnte! Auf Wiedersehen!“
Dann schwang sie sich ihren großen Hut auf den Kopf und folgte den Damen.
Aber an der Gartentür trennten sich ihre Wege. Pippi ging zur Villa Kunterbunt, und die Damen gingen nach der anderen Richtung.
Als sie ein Stück gegangen waren, hörten sie ein Keuchen hinter
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