Pirat des Herzens
betritt das Haus des Kapitäns.«
»Warum nicht?«
Er zuckte die Achseln. »Es steht mir nicht zu, ihn danach zu fragen.«
»Wer hat den Schlüssel?«
»Der Kapitän.«
»Und der Verwalter?«
Macgregor seufzte. »Ich besorge den Schlüssel. Aber Ihr müßt dem Kapitän erklären, daß es Euer Wunsch war.«
Katherine entfuhr ein Laut des Entzückens. Guy blieb der Mund vor Staunen offen stehen.
Nicht einmal bei Hofe hatte sie solche Pracht gesehen. Intarsienverziertes Parkett, die Wandtäfelung aus poliertem Mahagoni. Staunend schritt sie durch die Eingangshalle, vorbei an den Seidentapeten, mit kostbaren Ölgemälden in vergoldeten Rahmen.
An der Schwelle zum Speisesaal verharrte sie.
Der Raum war mit dunkler Eiche getäfelt. In der Mitte stand ein runder Eßtisch auf geschwungenen Beinen, die in kunstvoll geschnitzten Köpfen von Fabelwesen endeten, umgeben von gepolsterten Stühlen. Auf dem glänzenden Parkett lag ein riesiger Perserteppich.
In den bis zur Decke reichenden verglasten Vitrinen standen Terrinen, Geschirr, Vasen und Kerzenleuchter aus getriebenem Silber. In der Mitte des Raumes hing ein prachtvoller mehrarmiger Kerzenleuchter von der Kassettendecke. Katherine eilte in den angrenzenden kleineren Salon, der nicht minder prunkvoll eingerichtet war. An den Wänden hingen Gemälde, die Fenster waren mit schweren Damast-draperien verhangen. An einer Wand stand ein verglaster Schrank, angefüllt mit ledergebundenen Büchern. Ein ausladender Schreibtisch, der auf vergoldeten Löwenpranken stand, beherrschte den Raum.
Katherine sank in einen seidenbezogenen Sessel.
»Ist Euch nicht gut?« flüsterte Guy.
Katherine schüttelte den Kopf. »Ich verstehe diesen Mann nicht.«
Guy schaute sich ehrfurchtsvoll in dem Raum um.
»Ich verstehe ihn nicht«, wiederholte Katherine. »Er spielt den Piraten, dabei ist er ein Edelmann. Er spielt den wilden Mann, ist aber belesen und klug. Er nennt die modrige Burg sein Heim - Und nebenan hat er ein Haus, das eines Prinzen würdig wäre.«
Guy setzte sich auf einen Hocker. »Er ist ein großer Mann.«
»Er plündert und raubt, Guy. Er ist ein Pirat.«
Guy hob seine mageren Schultern. »So ist die Welt nun mal. Das hat er mir selbst gesagt. Wenn du dir nicht nimmst, was du willst, wird dir alles genommen.«
Katherine blickte den Jungen verwundert an. Liam hatte recht. In dieser Welt herrschte Macht vor Recht. Sie hatte das am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Und Liam hatte diese schmerzliche Erfahrung mit Sicherheit auch gemacht. Vermutlich sehr früh in seiner Kindheit, damals vielleicht, als Shane O’Neill ihn seiner Mutter entrissen hatte.
Das würde einige Widersprüche in seiner Persönlichkeit erklären - einerseits war er der rauhe Pirat, andererseits der charmante, gebildete Gentleman.
Schweren Herzens schlich Katherine sich aus dem Burgtor, wie schon vor einigen Tagen. Ein Küchenmädchen hatte ihr eine Botschaft überbracht. Das Frachtschiff aus Belfast war angekommen.
Sie rannte ins Dorf, schrak bei jedem Geräusch zusammen. Jeden Augenblick glaubte sie, Macgregor könne sie am Arm packen.
Sie wollte sich mit dem Seemann am Hintereingang einer Bierschänke treffen, direkt am Hafen. Katherine sah ihn neben ein paar Bierfässern herumlungern. Unsicher spähte sie in die Runde.
Nichts schien ungewöhnlich. Ein Fuhrwerk ratterte die Straße entlang, Männer gingen ihren Geschäften nach. Drüben auf der anderen Straßenseite pries eine Frau frischen Fisch an. An der Straßenecke lehnte eine grellbemalte Dirne an einer Hausmauer. Direkt am Kai spielten zwei Buben mit einem Ball.
Und dann gefror Katherine das Blut in den Adern. Weiter hinten an einem der letzten Stege sah sie die Sea Dagger vor Anker liegen.
Katherine verlangsamte ihre Schritte.
An Deck eilten Männer hin und her, Kisten und Fässer wurden entladen. Ihre Augen glitten suchend über das Piratenschiff. Sie wollte Liam ein letztes Mal sehen, bevor sie auf dem Frachtschiff nach Belfast der Insel für immer den Rücken kehrte.
»Lady?«
Katherine schrak zusammen. Erleichtert stellte sie fest, daß es nur der Seemann war. »Ihr habt mich erschreckt! Wann ist die Sea Dagger eingelaufen?«
»Heute morgen.«
Katherine schluckte. Liam war schon vor Stunden angekommen. War er noch an Bord, um das Entladen der Beute zu beaufsichtigen? Wieso war er nicht gekommen, um sie zu begrüßen?
»Können wir an Bord gehen?«
»Ja, Mylady«, lächelte der Seemann.
Katherine schloß die Augen,
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