Pirat des Herzens
»Und wenn mir das gelingt, erwarte ich eine hohe Belohnung von Euch, Majestät.«
Elisabeth wandte sich ab. Welche Belohnung mochte er von ihr erwarten? Eine Belohnung, die kein anderer Mann wagen würde zu verlangen, eine sehr persönliche, sehr intime Belohnung. Sie spürte seine Liebkosungen, seine Küsse beinahe körperlich. Elisabeth straffte die Schultern, verdrängte die törichten Gedanken. Sie war Königin. Es war unter ihrer Würde, auf männliche Verführungskünste hereinzufallen.
Eine ganze andere Frage erhob sich. Wagte sie es? Wagte sie es, ihrem goldenen Piraten Vertrauen zu schenken, nach allem, was er getan hatte?
Katherine hatte die Kapuze ihres pelzbesetzten Samtumhangs tief ins Gesicht gezogen, als sie durch das Nordtor des Richmond Palastes schritt. Macgregor und Guy waren in ihrer Begleitung.
Bald würde man sie erkennen: Bislang hatte sie nicht daran gedacht, wie sie bei Hofe aufgenommen werden würde. Erst auf der Barke nach Richmond überlegte sie, welche Spekulationen, welche Aufregung ihr plötzliches Auftauchen auslösen würde. Zunächst mußte sie sich darum bemühen, eine Audienz bei der Königin zu erhalten. Um den Rest wollte sie sich später kümmern.
Die drei Besucher überquerten einen Innenhof und eilten die breite Steintreppe hinauf. Katherine war sich der Absur-dität bewußt, sich ausgerechnet für den Mann einzusetzen, der sie und ihren Vater betrogen hatte.
Sie mußte eine Audienz bei der Königin bekommen, doch das war vermutlich noch die leichteste ihrer Aufgaben. Aber wie sollte sie die Königin davon überzeugen, Liam zu begnadigen? Bislang war ihr kein vernünftiges, kein plausibles Argument zu seiner Verteidigung eingefallen.
Falls Liam niemand von ihrer Heirat erzählt hatte, hielt alle Welt sie für John Hawkes Gemahlin, und Katherine wollte es dabei belassen. Ihre zweite Heirat war der Sache nicht dienlich. Und außerdem hatte sie nicht die Absicht, je wieder zu Liam zurückzukehren, sollte er begnadigt werden. Der Pirat hatte sie zutiefst verletzt und gedemütigt. Ein Teil von ihr liebte Liam immer noch, obwohl ihr Verstand ihr sagte, wie absurd und töricht dieses Gefühl war. Aber sie würde nie wieder Vertrauen zu ihm haben. Sein Verrat hatte eine bleibende Narbe in ihrem Herzen hinterlassen.
Auf der Schwelle der Halle blieb sie stehen. In dem großen Raum befanden sich viele Höflinge. Katherine blickte vorsichtig in die Runde nach einem vertrauten Gesicht und entdeckte Anne Hastings im Kreise einiger Hofdamen. »Wartet hier!« flüsterte Katherine Macgregor und dem Jungen zu, drängte sich durch die Menge und näherte sich der Baronin von hinten.
»Anne«, flüsterte sie hastig.
Anne fuhr herum. »Bei allen Heiligen! Katherine! Was machst du denn hier?« Und dann musterte sie die Freundin mit einem wissenden Blick, der Katherine einigermaßen verwirrte.
»Ich muß dringend die Königin sprechen«, sagte Katherine hastig. »Wir reden später, in Ruhe«, fügte sie hinzu.
»Ihre Majestät ist im Audienzsaal«, antwortete Anne rasch.
Katherine drückte ihr die Hand und wandte sich zum Gehen.
»Katherine!« rief Anne ihr nach. »Warte!«
Doch Katherine hörte sie nicht mehr. Sie winkte Macgregor zu und drängte sich mit gesenktem Blick weiter durch die Halle, vorbei an den adeligen Herren und Damen. Ihr Herz hämmerte wild. Erst als sie die große Halle verlassen hatte und im Vorzimmer zum Audienzsaal stand, hob sie den Kopf.
Im gleichen Augenblick schlossen sich die hohen Flügeltüren hinter etwa einem Dutzend adeliger Herren, Vertraute der Königin und Offiziere der königlichen Leibgarde, die soeben das königliche Gemach verließen. Die Königin gab anscheinend eine Privataudienz.
Katherine mußte warten, ihre Unsicherheit und Angst wuchsen.
Nach einiger Zeit wurden die Türen erneut geöffnet. Gespräche verstummten. Die Leibgardisten traten vor, um einem Besucher Geleitschutz zu geben.
Doch es war kein Besucher, um den sie Aufstellung nahmen. Es war ein Gefangener. Liam. Er stand in der Tür, verwahrlost und schmutzig, die Handgelenke auf dem Rücken gefesselt - und stolz wie ein Löwe.
Katherines erschrockener Aufschrei zerriß die Stille. Blicke fuhren zu ihr herum.
Liam hatte ihre Stimme erkannt.
Ihre Blicke trafen sich. Obwohl er sie verraten und betrogen hatte, krampfte Katherines Herz sich zusammen, ihre Augen füllten sich mit Tränen. Die Kapuze rutschte ihr in den Nacken und gab ihr Gesicht frei. Sie kümmerte sich nicht mehr
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