Pirat des Herzens
darum, unerkannt zu bleiben.
Ein Raunen ging durch die Menge. Köpfe neigten sich einander tuschelnd zu.
Erst jetzt bemerkte Katherine die Königin, die hinter Liam stand und sie ebenso verblüfft anstarrte wie alle anderen. Und dann setzte Katherines Herzschlag aus. Der Offizier in der roten Uniform, der die königliche Garde anführte, war niemand anderer als John Hawke.
30
Katherines Blick flog zu Hawke, der wie versteinert dastand. Dann blickte sie wieder zu Liam. Sollte er sich über ihr Erscheinen bei Hofe wundern, so ließ er sich nichts anmerken.
Katherine wäre am liebsten in den Boden versunken. Sie schämte sich, Hawke zu begegnen. Sie hatte sich schamlos mit Liam vergnügt, während sie Johns rechtmäßige Gemahlin war. Wie peinlich, ihm jetzt zu begegnen, in aller Öffentlichkeit, umgeben von sensationslüsternen Höflingen, just in dem Augenblick, da er Liam in den Tower abführte. Und sie selbst war im Begriff, die Königin um Gnade für den Mann zu bitten, der sie in ihrer Hochzeitsnacht entführt hatte, den alle Welt für ihren Liebhaber hielt.
Katherine bemühte sich angestrengt, Liam nicht mit einem zweiten Blick zu streifen. Fest entschlossen, ihn zu ignorieren, war sie sich freilich der Gaffer und ihres aufgeregten Getuschels deutlich bewußt. Hatte Liam etwas über ihre Heirat verlauten lassen? Hielt John sich noch für ihren Ehemann? Wie würde er reagieren, wenn er die Wahrheit erfuhr? Wie dem auch sei, Katherine wußte, daß alle Anwesenden sie für eine Hure hielten und sie verachteten. Dies war der fürchterlichste Moment in ihrem Leben.
Um die Sache noch schlimmer zu machen, bemerkte Katherine den Grafen von Leicester. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich von Staunen in dunkles, lüsternes Begehren.« Auch ihr Halbbruder, der Graf von Ormond, war anwesend, seine Miene noch finsterer als sonst.
Katherine war wie betäubt.
Die Königin rauschte an Hawke und Liam vorbei, und Katherine versank in einem tiefen Knicks.
»Dieses Zusammentreffen erscheint mir höchst seltsam«, sagte die Königin schneidend.
»Eure Majestät«, stammelte Katherine.
»Steht auf! Wir sprechen allein. Sofort.«
Es war ein Befehl, dem Katherine nur zu gerne gehorchte, nicht nur, um all den gaffenden Höflingen und ihren beiden Ehemännern zu entfliehen. Genau aus diesem Grund war sie an den Hof gekommen. Etwas unbeholfen kam sie auf die Füße. Jemand stützte sie von hinten - Macgregor. Krampfhaft hielt Katherine ihren Umhang zusammen. Ihre Schwangerschaft wäre der nächste Schock für die Höflinge gewesen.
»Bringt den Gefangenen in den Kerker«, befahl Elisabeth.
Hawke nickte. Dann glitt sein Blick erneut zu Katherine. Er wunderte sich über ihr Erscheinen bei Hofe. Und er war wütend.
Erriet er ihre Absicht? Verachtete er sie für ihren Sündenfall? Katherine konnte ihm seinen Zorn nicht verdenken. Wie zornig würde er erst sein, wenn er erfuhr, daß sie Liams Kind unter dem Herzen trug.
Hawke stieß Liam vor sich her. Katherine konnte nicht widerstehen, dem Gefangenen einen letzten Blick nachzuwerfen. Wenn er sie nur nicht betrogen hätte, wenn er sie nur liebte, dann wäre ihr Herz nicht so zerrissen und wund.
Er ging mit geraden Schultern und hocherhobenen Hauptes. Er war so stolz, so gelassen, so furchtlos - als wäre er Herr der Lage, nicht der Gnade einer zornigen Königin ausgeliefert, als sei er nicht nur der Herr der Meere, sondern auch der Sieger in diesem tödlichen Spiel. Doch er war das Opfer. Katherine schauderte und erschrak, als sie den durchdringenden Blick der Königin auf sich spürte.
»Folgt mir!« befahl Elisabeth. Katherine betrat den Audienzsaal, die Flügeltüren schlossen sich. Sie war mit der Monarchin allein.
»Ich wundere mich nicht, Euch hier zu sehen, Katherine«, begann die Königin.
Katherine versuchte ihre Gedanken zu sammeln, um zusammenhängende Sätze zu formulieren. Sie mußte äußerst vorsichtig sein.
»Ihr seid also Eurem Liebhaber an den Hof gefolgt. Wollt Ihr um Gnade für den Verräter bitten?« Elisabeths Augen funkelten böse.
Katherine war erleichtert. Die Königin wußte nichts von ihrer Heirat. Liam hatte geschwiegen.
»Ja«, sagte sie leise. »Ich bitte untertänigst um Gnade für ihn, Eure Majestät.«
»Ihr seid nicht anders als Eure schamlose Mutter«, entgegnete Elisabeth verächtlich.
Katherine zuckte zusammen. Die Königin war nichts als Vorwurf und Zorn. Katherine schluckte angstvoll. Das hatte sie nicht erwartet. Bei ihrer letzten
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