Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
imstande war, nötigenfalls gegen ein Kastell etwas auszurichten. Auch ein französisches Schiff war dort, mit vierundzwanzig Stücken und zwölf metallene Bassen, welche Morgan gar zu gern gehabt hätte; allein die Besatzung getraute sich nicht recht unter die Engländer – hatte doch dieser Franzose, als er, wie ihm eben sein Proviant ausgegangen, auf hoher See auf ein englisches Schiff gestoßen war, von diesem etliche Lebensmittel herübergeholt und dafür kein Bargeld gegeben, sondern nur Anweisungen auf Jamaika und Tortuga. Wie nun Morgan sah, daß der Franzose keine Lust hatte, mit ihm zu gehen, nahm er ihn samt seinem Volk auf dem großen Schiff (ehe sie sich dessen versahen), gefangen, erhob auch Anspruch auf das Schiff mit der Begründung, jene hätten die Engländer ausgeraubt. Indessen hielt Morgan Kriegsrat ab mit den Kapitänen der Piratenschiffe, um Entscheidung darüber zu treffen, welchen Ort an der spanischen Küste man angreifen solle. Der gefaßte Beschluß ging dahin, unter Segel zu gehen, den Kurs nach der Ostspitze der Insel Española zu nehmen und an der Insel Savona vor Anker zu gehen; sollten etwa Schiffe von der Flotte abgetrieben werden, so würde man all dort sich wieder von neuem sammeln, alsdann auch resolvieren, worauf man losgehen wolle. Trank unterdes auf des Königs von England Gesundheit und auf glücklichen Erfolg. Dabei ward lustig geschossen, und, während die Herren sich hinterschiffs verlustierten, tat das Volk auf dem Verdeck desgleichen. Aber wie sie auf dem Gipfel ihrer Freude waren, verwandelte sich diese jählings in ein trauriges Ende: denn durch das Gesundheitsschießen waren einige Funken in den Pulvervorrat gefallen, wodurch das Schiff mit dreihundert Engländern in die Luft aufflog, ungerechnet der Franzosen, die darauf gefangen lagen. Nur etwa dreißig Mann kamen mit dem Leben davon; die in der Kajüte gewesen, retteten sich und litten nur geringen Schaden. Morgan wurde an seinem Beine etwas gequetscht. Alle, so davon kamen, waren auf dem Hinterdeck gewesen; denn auf englischen Schiffen befindet sich die Pulverkammer zumeist im Vorderschiff. Es würden sich wohl noch mehr gerettet haben, doch war das meiste Volk trunken. Da die Engländer für das ihnen widerfahrene Mißgeschick keine Entschuldigung wußten, nahmen sie als Ausrede das französische Schiff, indem sie vorgaben, die Franzosen hätten das königlich englische Schiff in die Luft gesprengt, sie hätten nämlich einen spanischen Kaperbrief, die Engländer auszurauben und ihnen Gewalt anzutun, soviel sie nur könnten. Dies zu beweisen, zeigten sie einen Geleitbrief, den sie bei dem Franzosen gefunden hatten, in welchem ihnen der Gouverneur von Baracoa auf Cuba Erlaubnis erteilte, auf die englischen Seeräuber zu kapern, da diese Jamaikapiraten, obwohl die Spanier nicht im Kriege mit dem englischen Könige stünden, tagtäglich feindselige Handlungen gegen spanisch Hab und Gut begingen. Diesen Geleitbrief hatte sich der Franzose von den Spaniern nicht etwa deshalb geben lassen, weil er etwas wider die englischen Räuber im Schilde geführt hätte, sondern, um mit den Spaniern etlichen Handel treiben zu können. Der Kapitän des französischen Schiffs war zwar gleichfalls am Leben geblieben, hatte aber all dort keine Möglichkeit, seine Sache zu vertreten. Die Engländer gingen nun mit ihrem Schiff nach Jamaika zurück, und der französische Kapitän schloß sich ihnen an, um seine Sache führen zu können – allein statt ihm Gehör zu geben, warf man ihn ins Gefängnis und drohte, ihn aufzuhängen.
Trotz dieses Unglücksfalls ließ aber Morgan den Mut nicht sinken und beschloß mit den Leuten, die er noch hatte, sein Vorhaben weiter zu verfolgen. Acht Tage, nachdem das Schiff in die Luft gegangen, fischten die Engländer sämtliche Leichname, die da lagen oder trieben, auf, jedoch nicht um sie, nach ihrer schuldigen Pflicht, zu begraben, sondern um der Kleider und der goldenen Ringe willen, die sie an den Fingern trugen – hatten sie nämlich einen Leichnam aufgefischt, nahmen sie die Kleider und schnitten die Finger ab, an welchen Ringe waren, worauf sie ihn wieder treiben ließen, den Haien zur Beute. Noch heute kann man an der Küste die vom Meere angespülten Gebeine sehen.
Im übrigen blieb Morgan bei dem schon vorher gefaßten Entschluss: daß man nämlich auf der Insel Savona Rat darüber pflegen solle, welchen Ort man anzugreifen gedächte. Bestimmte denn die obgenannte Insel als Rendezvousplatz
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