Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
und ging unter Segel mit den ihm verbliebenen Schiffen, welche fünfzehn an der Zahl waren, von denen er das größte, mit vierzehn Geschützen montierte, befehligte. Auf diesen fünfzehn Fahrzeugen hatte er insgesamt gegen neunhundertsechzig Mann. Einige Tage darauf kamen sie in die Gegend von Cabo de Lobos, das ungefähr in der Mitte der Südküste von Española gelegen ist, in der Mitte zwischen den beiden Kaps Tiburon und Punta Espada. Hier hielt ihn der starke in jener Gegend wehende Ostwind drei Wochen lang auf; täglich hißte man die Segel, damit man um das Kap herumkommen möchte, allein es gelang nicht. Endlich brachten sie es doch noch zustande. Sieben bis acht Meilen nach dieser Umschiffung bekamen sie ein anderes Schiff zu Gesicht, und zwar einen Engländer, der eben von England kam. Etliche Schiffe fuhren zu diesem hin, um einiges zu kaufen. Morgan verfolgte seinen Kurs weiter und gab ihnen Rendezvous im Golf von Coca, wo er auf sie (Seite 134 Karte/Plan) warten wollte. Zwei Tage später kam Morgan nach dieser Bucht, wo er Wasser einzuholen und die Schiffe abzuwarten gedachte. Inzwischen wurden Leute – fünf bis sechs Mann von jedem Schiff – an Land geschickt, um Nahrung für das ganze Schiffsvolk aufzutreiben, damit man die mitgenommenen Viktualien aufsparen könne.
Sie schossen alles, was sie fanden – Pferde, Esel, Kühe, Schafe. Den Spaniern war solches unlieb: wie sie sahen, daß jedes Mal nur so wenige Leute an Land kamen, gedachten sie den Räubern einen Possen zu spielen; sie ließen drei-, vierhundert Soldaten von der Garnison der Stadt San Domingo holen, die von jener Stelle gar nicht weit entfernt ist, und wie die Räuber wieder an Land kamen, hatten die Spanier alles Vieh von der Meeresküste landeinwärts gejagt. Als nun aber die Räuber an drei Meilen in den Busch gegangen waren, etwa fünfzig Mann stark, ließen die Spanier sie eine schöne Herde Rindvieh sehen, hinter der waren drei, vier Hirten, die dem Anschein nach das Vieh wegtrieben. Nun machten die Räuber sich daran, einige der Tiere zu schießen, und die anderen ließen sie ruhig gewähren: als sie aber im Begriff waren, die erjagten Tiere fortzuschleppen, fielen die Spanier über sie her mit dem Geschrei „Mata“, „Mata“. Die Räuber ließen die Beute fahren, stellten sich in Positur und fochten furios wider die Feinde; indes die eine Hälfte von ihnen schoß, lud die andere von neuem. Dies ging so eine gute Weile, und dabei retirierten sie sich sachte, bis sie wieder an den Busch kamen. Die Spanier wollten sie verfolgen; als sie jedoch sahen, daß die Räuber selten fehlschossen, sie selbst aber schon viele Tote und Verwundete hatten, zogen sie sich zurück, wogegen die Piraten noch im Busch blieben, um etliche Blessierte, so sie gehabt, zu verbinden, so gut das eben anging, bis sie wieder an Bord kämen. Inzwischen sahen sie die Spanier in der Savana ihre Toten und Verwundeten davontragen. Da lag nur noch der eine Räuber, der tot am Platze geblieben war. Um dessen Leichnam stellte sich eine Anzahl Spanier auf und stachen ein jeder mit bloßem Degen auf ihn los, rufend: „Allà, cornudo ladron!“ Wie die Räuber im Busch sahen, daß das Gros schon abmarschiert war, fielen sie diesen Haufen an und schlugen viele davon tot; den Leichnam des Gefallenen aber, der nach seinem Tode noch mehr denn hundert Stiche abbekommen hatte, nahmen sie mit und begruben ihn im Walde. Sodann erschossen die Räuber etliche Pferde, um Fleisch an Bord mitbringen zu können, wohin sie auch ihre Verwundeten mitnahmen. Am nächsten Tage ging Morgan selbst mit zweihundert Mann an Land, allein die Spanier waren schon fort und hatten auch das Vieh weggetrieben. So ließ er denn etliche Häuser, die da waren, in Brand stecken und ging, nachdem dies geschehen, wieder an Bord.
Als Morgan sah, daß seine Schiffe nicht kamen, stach er mit denen, die er bei sich hatte, in See; nach etlichen Tagen Segelns kam er zu der Insel Savona, die er als endgültigen Treffpunkt bestimmt hatte; wie er aber auch da von seinen Schiffen keine Spur fand, beschloß er, einige Tage daselbst zuzuwarten. Indessen sandte er etwa einhundertfünfzig Mann aus: die sollten auf der Insel Española landen und einige Dörfer in der Gegend von San Domingo plündern, auch einige Lebensmittel holen, an denen man schon Not zu leiden begann. Aber die von Morgan ausgesandten Leute kamen unverrichteter Dinge wieder an Bord: die Spanier hatten nämlich Wind davon bekommen, daß sie
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