Piratenblut
Weise zu einem festen, elastischen Körper verbunden, der eine Länge von zwanzig Metern, eine Breite von fünf Metern und eine Höhe von einem halben Meter hatte.
Als die Sonne rosig über dem Horizont aufging, trieb das Floß bereits im Fluß. Mit langen Bambusstangen zwangen die Männer es über die Strömung hinweg. Dennoch konnte man nicht verhindern, daß es weit, weit abtrieb. Nach anderthalb Stunden Fahrt stellte man erschrocken fest, daß man sich bereits dem Megna-Arm des Deltas näherte. Die Wasser flössen immer langsamer.
Stineway hatte eine Karte bei sich. Sie war zwar primitiv, gab jedoch einen ziemlich genauen Überblick über ganz Bengalen.
»Teufel«, rief er, »wenn das Floß hält, so haben wir das Klügste getan, beziehungsweise so hat der Fluß mit uns das Klügste getan, was er tun konnte. Sind wir erst im Delta, dann brauchen wir den anderen Fluß nicht mehr zu überqueren; dann sind wir in Kumilla und können ohne Hindernisse unseren Weg fortsetzen.«
Der Pfeifer betrachtete die Karte und wandte dann den Blick zum Ufer. Es mochten immerhin noch zweitausend Meter sein, bis man es erreicht hatte; denn der Wasserarm hatte an dieser Stelle eine Breite von vielleicht sechs Meilen. Man konnte fast den Eindruck haben, als sei man bereits auf dem offenen Meer.
»Wir haben es gleich geschafft«, rief Marina freudig und klopfte beruhigend den Hals ihres Pferdes.
Nicht so zuversichtlich schien Tscham zu sein. Er kniete am Rand des Floßes und überprüfte die
Borken- und lehmbestrichenen Enden der Bambusrohre.
Michel beobachtete ihn und sah Besorgnis in seinem Gesicht.
»Was ist?« fragte er.
»Wir müssen uns beeilen«, war die kurze Antwort.
Aber die Staklatten fanden hier noch keinen Grund. So blieb nichts übrig, als sich noch treiben zu lassen und auf die Gnade eines Höheren zu hoffen, der auch die Strömungen lenkte. Langsam bemerkten auch die anderen, daß nicht mehr alles so rosig war, wie es aussah. Fernando rief plötzlich erschrocken :»Por Dios, wir sinken.« »Was sagt er?« fragte Stineway die Gräfin. »Er meint, daß wir sinken.«
»Wir gehen unter?« Stineway riß entsetzt die Augen auf. Seine Zähne schlugen plötzlich
aneinander, und sein Gesicht wurde kalkweiß.
»By God, ich kann ja nicht schwimmen«, flüsterte er.
»Oh, das macht nichts«, tröstete ihn Marina. »Euer Gaul wird es dafür um so besser können.«
»Ja, wenn er mich aufsitzen läßt!«
»Wenn er nicht will, dann setzen wir Euch drauf.«
Der Korrespondent nahm sich zusammen. Er war kein Held; aber er wollte auch nicht feige erscheinen. Seine Miene wurde jetzt so gleichgültig wie möglich. Er zog sogar eine alte Stummelpfeife heraus, stopfte sie sorgfältig mit Tabak und setzte sie in Brand.
»Ihr seid noch nicht oft in gefährlichen Situationen gewesen, Mr. Stineway, wie?« Stineway zog den Rauch tief ein.
»Well«, meinte er bedächtig, »nicht in so lebensgefährlichen; aber wenn ich mein Leben so überblicke, dann muß ich sagen, daß ich des öfteren schon große Angst hatte, zum Beispiel vor meinem Verleger. Es bleibt sich nämlich ziemlich gleich, ob die Haifische im Wasser schwimmen oder hinterm Schreibtisch sitzen. — Na ja, angenehm ist es gerade nicht zu wissen, daß man in solchen Augenblicken wie jetzt ausschließlich auf seinen Gaul angewiesen sein kann.«
Zwei Männer hatten einen Schrei ausgestoßen. Tscham, der die Gefahr am besten ermessen konnte, hatte sich die Kleider vom Leib gerissen und war in den Fluß gesprungen. Jetzt faßte er das Floß und versuchte es mit kräftigen Schwimmstößen der Beine dem Ufer zuzube
wegen. Aber die Kräfte des tapferen Jungen reichten bei weitem nicht aus. Der Pfeifer war der nächste, der seinem Beispiel folgte. Bald standen nur noch Marina und Stineway auf dem Floß. Das ungefüge Fahrzeug gab dem vereinten Druck der Männer nach. Meter um Meter bewegte es sich uferwärts. Nach einer Stunde schwamm es im ruhigeren Küstengewässer. Tscham ließ los und tauchte. Nach einer Weile kam er prustend wieder an die Oberfläche. »Es ist noch zu tief«, rief er. »Wir können noch nicht staken.«
Das Wasser drang bereits zwischen den Bambusrohren an die Oberfläche des Floßes. Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis auch aus den oberen Lagen die Lehmpfropfen weggespült waren. Freilich, das leere Floß hätte sich noch stundenlang auf dem Wasser halten können. Aber die unruhigen Hufe der scheuenden Pferde taten ein übriges, um es unter die
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