Piratenblut
trieb seinen Gaul an und ritt ins Wasser.
»Seht her«, sagte Roach, als der andere neben ihm stand. »Was haltet Ihr von diesen beiden Spuren?«
»Well«, meinte der Sergeant bedächtig, »hier ist höchstwahrscheinlich nur einer geritten. Vielleicht hat sich einer mit den Packpferden von der großen Gruppe getrennt. Ich jedenfalls würde die breite Spur verfolgen.«
»Seht Ihr«, sagte Roach, »so habe ich im Anfang auch gedacht. Aber ich schätze, daß uns die Kerle eine Nase drehen wollen. Um ganz sicherzugehen, werden wir uns ebenfalls teilen und beide Spuren verfolgen. Ihr nehmt fünf Mann und geht der schmalen Linie nach. Ich nehme die breite. Treffpunkt hier am Fluß.« »Wie weit sollen wir ihnen folgen?«
»Bis ihr sie habt. Ohne die Verbrecher reiten wir nicht zurück. Merkt Euch das.«
»Aber in einer Stunde ist es finster, Oberleutnant. In der Dunkelheit kann man keine Spur verfolgen.«
»Man kann alles, wenn man will«, sagte Roach kurz und saß auf.
27
Der Pfeifer, Ojo, Jardín und Kuteiba hatten den Waldrand erreicht und waren ein paar Meter tief in das dichte Unterholz eingedrungen, bis sie eine kleine Lichtung fanden. Dort banden sie die Pferde an, machten die Waffen fertig und schlichen zum Waldrand zurück.
Es verging eine halbe Stunde, eine dreiviertel, eine ganze Stunde, bis die Soldaten im Blickfeld erschienen. Die vier Schützen lagen ausgezeichnet getarnt hinter dichtem Gebüsch. Michel hatte sein Fernglas am Auge und beobachtete.
»Wenn sie sich nun geteilt haben, Señor Doktor«, fragte Jardín, »was wird dann aus unseren Freunden?«
»Ich schätze, man wird sie fangen und mitnehmen. Vielleicht aber hat man der schmalen Spur nur wenige Leute nachgeschickt. Und Ernesto, Fernando, Marina und Tscham verstehen zu kämpfen.«
»Was wird, wenn sie heran sind?« fragte Jardín wieder.»Beruhige dich, Alfonso, und sei nicht so
nervös. Warten wir doch ab. Ich werde versuchen, mit ihnen zu verhandeln.«
Ibn Kuteibas tiefe Stimme meldete sich.
»Darf ich auch einmal etwas sagen?«
»Sicher«, meinte Michel. »Immer sprecht. Gute Ratschläge sind selten.« »Wie wäre es, wenn wir ihnen die Pferde nähmen?«
»Por Dios«, rief Michel. »Daß ich daran nicht gedacht habe! Eine vorzügliche Idee. Bleiben wir
still auf unserem Posten liegen, wenn sie etwa in den Wald eindringen sollten.«
Die Reiterschar kam heran.
»Hier sind sie hinein«, rief ein Korporal weise.
»Das sehe ich«, erwiderte Roach. »Steigt ab. Drei Mann bleiben bei den Pferden, die anderen folgen mir mit schußbereitem Gewehr. Sofort schießen, wenn ihr etwas seht.«
»Ohne Anruf?« fragte einer, dem dieser Befehl gegen die soldatische Ehre zu verstoßen schien. »Ohne Anruf. Sie sind Verbrecher. Los, gehen wir.«
Sie stiegen ab und drangen in das Unterholz ein. Der linke Flügelmann wäre fast auf Ojo getreten. Und Ojo mußte sich sehr beherrschen, ihn nicht am Fuß zu ziehen.
Die drei zurückgebliebenen Posten beschäftigten sich damit, die Zügel der Pferde
zusammenzubinden.
»Sie werden unsere Pferde finden«, flüsterte Ojo.
»Das ist nicht zu ändern«, sagte Michel. »Dafür haben wir zwanzig andere. Und nicht die schlechtesten.«
»Aber meine schöne Lederdecke ist hinter meinem Sattel festgebunden«, zeterte Ojo leise. »Und darin eingewickelt ist ein Schlauch Wein. Ich muß mein Pferd wieder haben.«
»Dummkopf«, zischte Michel. »Wenn wir auf den Schiffen sind, kannst du Wein trinken, bis sich dir die Augen verdrehen. Aber jetzt denke gefälligst an unsere und der Freunde Sicherheit.« Die Posten standen an Bäume gelehnt. Hundemüde waren sie. Sie konnten sich nur noch dadurch aufrecht halten, daß sie sich auf die Gewehrläufe stützten.
Michel, Ibn Kuteiba und Jardín arbeiteten sich langsam an sie heran. Der Pfeifer hatte Ojo bedeutet, liegen zu bleiben, damit er in seiner etwas plumpen Art kein unnötiges Geräusch verursachte.
Als die drei ungefähr noch fünf Schritte von den Pferdewächtern waren, stiegen plötzlich schauererregende Triller von Michels Lippen. Die Posten fuhren aus ihrem Halbschlaf auf und lauschten.
Eine neue Folge der Teufelspfiffe jagte ihnen Schauer über den Rücken. Und dann hörten sie sich mit donnernder Stimme angebrüllt. »Hands up!«
Das kalte Eisen dreier Gewehrläufe drückte sich in ihre Nacken.
Sie standen stocksteif und wagten sich nicht zu rühren. Im Nú rissen die drei Männer ihnen Riemenzeug und Koppel vom Anzug, und im Handumdrehen waren sie so
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