Piratenblut
»Mach deine Meldung« — seine Augen funkelten — »wenn ein einziges unklares Wort aus deinem verdammten Maul kommt, so breche ich dir die Zähne einzeln aus.«
»Schreckliche Pfiffe ertönten«, sagte der Mann. »Wir standen erstarrt. Dann drückten sich Gewehrläufe in unseren Rücken, und im Nu waren wir gefesselt. Ein kleiner Kerl bedeutete uns mit seiner Flinte und warnte uns, keinen einzigen Laut auszustoßen. Sonst würde er schießen.« »Weiter, weiter, und was dann?«
»Sie machten die Pferde los, saßen auf und galoppierten davon.«
Adam Roach wandte sich langsam um und starrte nach Südwesten. Das letzte, was sein Blick wahrnehmen konnte, bevor die Dämmerung in die Nacht überging, war eine verwehende Staubwolke.
Nach und nach fanden sich auch die übrigen Soldaten ein. Sie machten sehr erstaunte Gesichter, als sie sahen, daß ihre Pferde nicht mehr da waren.
Niemand sprach ein Wort. Der Oberleutnant stand noch immer zu Stein erstarrt. In seinem Innern hörte er eine Stimme sagen:
» ... kann ich Euch versichern, daß Ihr nach gelungener Durchführung sofort zum Major befördert werdet ...«
Sofort zum Major befördert, dachte Adam Roach, sofort zum Major. Er drehte sich um und stierte seine Leute an.
»Verdammtes Idiotenpack«, fluchte er. Dann sah er, wie einer der Soldaten dabei war, den ersten der drei Gefesselten vom Baum zu befreien. »Wer hat dir gesagt, daß du den Kerl abschneiden sollst?« fuhr ihn Roach an.Der müde Soldat senkte verlegen das Messer, nahm Haltung an, blieb aber die Antwort schuldig.
»Die Kerle bleiben hängen. Und wehe, wenn ihnen einer etwas zu essen oder zu trinken gibt.« Den letzten Befehl hätte er sich sparen können. Die Verpflegung befand sich nämlich in den Satteltaschen, und die Wasserflaschen hingen an den Sattelgurten. Niemand hatte auch nur einen Bissen bei sich. Die Leute waren so übermüdet, daß ihre Denkwerkzeuge noch gar nicht richtig erfassen konnten, was ihnen mit dem Raub der Pferde angetan worden war.
In Islamabad gab es keine offizielle Garnison. Der einzige Engländer, der dort wohnte, war der Geschäftsträger. Bis nach Islamabad zu laufen, war nicht so tragisch. Aber zwischen Islamabad und Kalkutta verkehrte zu dieser Zeit noch keine Postkutsche. Ja, es gab überhaupt keine regelmäßige Verbindung. Genügend Geld aber, um für alle neue Pferde zu kaufen, hatten weder der Oberleutnant, noch der Geschäftsträger, noch die Soldaten.
Aller Voraussicht nach würden sie demnach die zweihundertfünfzig Meilen bis nach Kalkutta marschieren müssen. »Lager aufschlagen«, kam der barsche Befehl Adam Roachs.
Die Leute ließen sich zur Erde fallen, wo sie gerade standen, und sanken augenblicklich in einen bleiernen Schlaf.
Der einzige, der keine Ruhe fand, war Adam Roach. Er wäre wahrscheinlich vollständig außer Rand und Band geraten, wenn er gewußt hätte, daß keine zwanzig Schritte von ihm entfernt ein großer, bärtiger Mann hinter einer Hecke lag und ihn beobachtete. Das war Ojo.
Da er kein Englisch verstand, langweilte ihn das Ganze. Er überlegte krampfhaft, wie er sich hier unbemerkt zurückziehen konnte. Wenn doch dieser blöde Kerl, der da vorhin wie ein Wilder herumgetobt hatte, auch endlich schlafen würde.
Ojo wußte, daß er sich nicht geräuschlos von seinem Posten entfernen konnte. Da die anderen zwanzig waren und er nur einer, hatte er auch nicht die Absicht, mit ihnen anzubinden. Immer wieder gingen seine Blicke zu Adam Roach. Und immer wieder mußte er enttäuscht feststellen, daß dieser nach wie vor aufrecht dasaß und vor sich hinstarrte.
29
Der Sergeant war auf der schmalen Spur weitergeritten. Eingedenk der Beleidigung, die ihm Roach zugefügt hatte und wohl auch deshalb, weil ihm niemand einen neuen Winkel nach erfolgreich ausgeführtem Auftrag in Aussicht gestellt hatte, ließ er sich Zeit.
Der Trupp hatte einen leichten Trab angeschlagen. Und die vier Leute waren zufrieden, daß sie nicht hinter dem Oberleutnant herzuhetzen brauchten.
Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden, als der Sergeant endlich ein schnelleres Tempo anschlug.
»Wenn wir nun auf Leute stoßen, die nicht der Beschreibung entsprechen, die uns der Oberleutnant gegeben hat, was dann?« fragte einer der Reiter.
Der Sergeant zuckte die Schultern.»Er hat gesagt, wir sollen schießen, also schießen wir.« »Aber wir können doch keinen Unschuldigen umlegen. Ja, wir wissen ja noch nicht einmal mit Bestimmtheit, ob die vier
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