Piratenbraut
Softwareentwickler in Oberbayern zu. Gemeinsam sprechen wir mit Parteichef Bernd Schlömer die Personaldebatten während der Vorstandssitzung durch, an der wir gerade alle übers Internet teilgenommen haben. Das parteipolitische Homeoffice – ein Traum. Zumindest theoretisch.
Schon das Foto auf der Partei-Website hätte mich misstrauisch machen können. Schließlich ist die Beschreibung der Konferenzsoftware mit einem Bilderbuch-Nerd illustriert: ein junger Mann im schwarzen Motto-T-Shirt hinterm Laptop kauernd, Headset auf dem Kopf, den aufgeklappten Deckel seines Rechners ziert ein Aufkleber mit dem Slogan »I love Atari«, und als wäre das alles noch nicht klischeehaft genug, steht neben dem Computer eine Kaffeetasse, auf der ein Linux-Pinguin tanzt.
Klar, auf meinem Smartphone klebt neuerdings ebenfalls ein runder Piraten-Sticker. Das mag bei Außenstehenden den Eindruck erwecken, ich sei nicht nur leidenschaftliche Piratin, sondern im Herzen auch ein Nerd – aber Computer begeistern mich nicht mehr als Waschmaschinen. Das Bedürfnis, einen Rechner auseinanderzuschrauben, ist mir unbekannt. Welcher Laptop zu mir passt, lasse ich grundsätzlich andere entscheiden. Selbst mein Smartphone besitze ich nur, weil mein Freund es zunächst für einen Fehlkauf gehalten und mir weitergereicht hatte, bevor er sich das gleiche Gerät ein zweites Mal bestellte. Nachdem wir daraufhin mehrfach mit vertauschten Telefonen aus dem Haus gegangen waren, verzierte ich meines kurzerhand mit diesem Piraten-Sticker.
Nun versuche ich seit einer halben Stunde, meinen Laptop mit Mumble auszustatten. Nichts habe ich dem Zufall überlassen. Mein Freund hat mir sein Headset aus dem Büro mitgebracht. Ich habe mir die Gebrauchsanweisung für die Konferenzsoftware im Piraten-»Wiki« durchgelesen und mich sogar ein bisschen schlaugemacht, was es mit diesem Mumble auf sich hat: Die kostenlose Telefonkonferenzsoftware ist demnach gar keine Erfindung der Piraten, sondern wurde zuerst in der Computerspiel-Szene eingesetzt.
Was ansonsten noch bei Wikipedia so alles über Mumble steht, machte mich ein bisschen ratlos: »Die Software nutzt die freien Audiocodecs Speex und CELT ( Constrained Energy Lapped Transform ) der Xiph. Org Foundation.« Aber ich tröstete mich damit, dass es ja für Leute wie mich noch dieses Anleitungsvideo gab, das die Piratenpartei Sachsen-Anhalt bei YouTube eingestellt hatte und in dem ein freundlicher junger Mann mit gelverklebter Mittelscheitelfrisur telekollegartig den Uncooleren unter den Piraten – also Leuten wie mir – vorführte, wie man Mumble auf dem eigenen Computer installiert.
Doch wieso hat das Headset meines Freundes zwei Steckkontakte, aber mein Laptop nur ein einziges Loch dieser Größe? Das Problem kommt im Piraten-»Wiki« und in dem Video ebenso wenig vor wie dieses Fensterchen mit einem englischsprachigen Warnhinweis, das sich eben auf dem Bildschirm meines Laptops geöffnet hat. Irgendwelche Einstellungen in meinem Computer scheinen sich nicht mit Mumble zu vertragen. So viel verstehe ich. Mehr nicht.
Natürlich habe ich mich schon mal gefragt, ob jemand wie ich ausgerechnet bei den Piraten einsteigen muss. Der »Deutsche Bank«-Chef tritt ja auch nicht der Linkspartei bei. Ich habe solche Bedenken als unzulässig verworfen: Wenn die Piraten es ernst meinen mit der Basisdemokratie, dann darf ihre Partei keine Gated Community für Hacker und andere Computerfreaks bleiben. Selbst Leute wie ich sollten mitmachen können.
Stattdessen sitze ich hier am Küchentisch, aufgeschmissen und sauer. Ich stelle mir ein Teewasser auf, das bekomme ich ja technisch gerade noch so hin.
Morgen soll im Mumble eine Diskussion zur Frauenquote in der Wirtschaft stattfinden, mit Laura Dornheim, einer Piratin, die ich unlängst abends in einer ZDF -Talkshow gesehen habe. Laura wurde als Enkelin des früheren bayerischen CSU -Kultusministers Hans Maier vorgestellt, sie trug einen schwarzen Hosenanzug, hochhackige Pumps, auffällig rot geschminkte Lippen, und auch die Fingernägel rot lackiert. Vom Moderator aufgefordert, in höchstens fünf Sätzen das bedingungslose Grundeinkommen zu erklären, konterte sie bissig: »... Wenn ich’s verstanden habe, dann verstehen Sie’s hoffentlich auch!«, und erläuterte ungefragt gleich noch, warum man so ein Grundeinkommen problemlos über eine höhere Mehrwertsteuer finanzieren könnte, ohne dass alles teurer würde.
Laura ist in einem losen Piraten-Netzwerk aktiv,
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