Piratenbraut
Nordseeküste, wo am Wochenende ein »GenderCamp« stattfand – laut Veranstalter eine »politische Bildungsveranstaltung« für alle Feministinnen und Feministen, »die sich für die Schnittstellen von Queer-/Feminismus und Netzkultur interessieren«. Ich war zwar noch nie bei so einem Camp, aber was ich darüber gerade lese, klingt für mich, als hätte es die perfekte Veranstaltung für Simon Kowalewski sein sollen.
Doch der Landtagsabgeordnete scheint das Wochenende nicht nur genossen zu haben. »Eigentlich«, schreibt Kowalewski in seinem Blog, habe er gedacht, »dass ich ein ziemlich guter Feminist bin«. Er habe sich freiwillig für die Kinderbetreuung während des Camps gemeldet – allerdings nur als »Praktikant«, weil er sich nicht getraut hätte, ganz alleine eine Gruppe zu betreuen. Ihm sei dann aber mitgeteilt worden, schreibt Kowalewski bitter, »dass ich stattdessen auch einfach aufstehen und herausgehen hätte können, schließlich würde ich so auch wieder nur unterstreichen, dass die Reproduktionsarbeit in erster Linie Frauensache sei und ich mich als Mann nicht verantwortlich daran beteiligen wolle, evtl. denen, die sie übernommen haben, noch zur Last fallen würde«. Sein Bericht endet mit einem Versprechen: Er habe aus dieser unerfreulichen Erfahrung gelernt und werde erst einmal »die Basics« lesen.
Jetzt palmiere ich auch gleich. Simon Kowalewski scheint ein ebenso freundlicher wie gutwilliger Pirat zu sein. Aber ein »Radikalfeminist«, der sich erst mal einlesen will, ist vielleicht nicht der optimale Lobbyist für die Anliegen der Frauen. War da nicht was mit dem »Tittenbonus«?
Bei Twitter sind inzwischen Gerwald Claus-Brunner und Fraktionschef Andreas Baum heftig aneinandergeraten. Ihre Wortwechsel klingen, als hätten sich zwei Parteifreunde schon ein paar Mal zu oft ausgesprochen. Der Fraktionschef ermahnt den Kollegen, man müsse »den Erwartungen, die man an andere hat, zuerst selbst gerecht« werden. Darauf poltert Claus-Brunner: »Ja nee, ist klar, hab verstanden: Klappe halten und unbeliebte Dreckarbeit verrichten, aber wehe, wenn man mal mehr fordert, das geht nicht.« Und während ich mich frage, wem es nützt, dass ich das mitlesen kann, versichert Andreas Baum: »Dir ist bekannt, dass ich so was nicht verlange. Also verbreite dies bitte auch nicht. Rest klären wir im persönlichen Gespr.« Ein persönliches Gespräch? Das würde mich jetzt aber auch interessieren!
Am nächsten Morgen, ich halte den »Tittenbonus« für abgehakt, holt mich der Parlamentarische Geschäftsführer der Berliner Piratenfraktion zurück ins Thema. Um 7.43 Uhr verkündet Martin Delius über seinen privaten Twitter-Account, er habe »nicht übel Lust«, sich zu »dem Zeug« zu äußern, das »Faxe« da verzapft habe. »Aber ich bin wohl ’nen Tag zu spät für die Sau, oder?« Um 8.17 Uhr legt Delius nach: »Ach Faxe: Gestern hast du einfach nur Kackscheiße erzählt.«
Später sendet Delius ein Foto herum mit der Anmerkung, er zeige auch als männlicher Parlamentarischer Geschäftsführer jetzt mal ein »kleines bisschen meine feminine Seite«. Auf dem Foto sieht man eine Hand, der Nagel des kleinen Fingers ist leuchtend blau lackiert. Langsam frage ich mich: Ist der »Tittenbonus« vielleicht doch nur irgendwie lustig?
Immerhin, andere regen sich auch auf: Die Angelegenheit hat es inzwischen in den Berliner Tagesspiegel geschafft. Die Zeitung berichtet im Lokalteil, Gerwald Claus-Brunner, »eigentlich bekannt als Verfechter von Transparenz«, habe seine umstrittenen Anmerkungen zur Frauenquote inzwischen gelöscht und zahlreiche Twitter-Nutzer, die ihn kritisierten, geblockt. Sie könnten deshalb seine Nachrichten nicht mehr lesen.
Stimmt das? Ich versuche die »Tittenbonus«-Nachricht anzuklicken, Twitter meldet: »Entschuldige, diese Seite existiert nicht mehr!« Ich versuche, Claus-Brunners Tweets abzurufen, auch das funktioniert nicht. Ich staune: Mehr Transparenz auf allen Ebenen fordern, selbst aber Nachrichten sperren, die man zuvor ungefragt und absolut freiwillig in alle Welt verbreitet hatte.
Die eigentliche Überraschung aber folgt mit zweitägiger Verspätung. Die Berliner Piratenfraktion veröffentlicht eine »Txxxxx-Bonus«-Stellungnahme, in der Gerwald Claus-Brunner versichert, er habe sich am Montag auf Twitter »sehr unpassend geäußert«. Die Vokabel »Tittenbonus« sei im Zusammenhang mit der Quotendebatte »natürlich völlig unpassend« gewesen. »Der Ausdruck ist
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