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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
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dessen Mailingliste ich mir gerade abonniert habe. Das Netzwerk heißt »Kegelklub« und befasst sich mit Geschlechterpolitik. Spätestens seit dem »Tittenbonus«-Ausraster von Gerwald Claus-Brunner habe ich das Gefühl, das Thema könnte bedeutend sein für das Parteileben und den öffentlichen Ruf der Piraten. Aber was bringt der schönste Feminismus, wenn der Laptop streikt?
    Mein Freund schaut gerade im Wohnzimmer die »Letterman Show« auf YouTube an. Er muss mir helfen. »Mein Computer geht nicht«, rufe ich nach drüben. »Kannst du vielleicht mal kurz kommen?«
    »Lass das Headset halt einfach weg«, verkündet er unbeeindruckt – und beginnt, an den Audio-Einstellungen der Software herumzudrehen. Immerhin, bei ihm passen auch keine zwei Stecker in eine Laptopbuchse, das tröstet mich gerade ein wenig.
    Knapp zehn Minuten später hören wir plötzlich Stimmen. Wir haben erfolgreich einen virtuellen Konferenzraum betreten, dort tagt zur Stunde die »Arbeitsgemeinschaft Geldordnung und Finanzpolitik« der Piratenpartei Deutschland. Ein Lippensymbol in der Namensliste zeigt an, wer alles zuhört und wer spricht. Gerade diskutieren zwei Piraten, ob die Europäische Union einst eher als Wirtschaftsraum oder als Verteidigungsbündnis gegründet worden sei.
    »Sag auch mal was!«, fordert mein Freund. Ich wedele mit den Händen: »Spinnst du? Sag doch selbst was!« »Wieso ich? Du willst doch hier mitmachen! Da darfst du nicht so feige sein.« »Feige? Was soll ich denn zu dieser idiotischen EU -Debatte sagen? Wirtschaftsraum oder Verteidigungsbündnis – das ist doch totaler Schwachsinn!«
    Eine Stimme aus dem Computer unterbricht unser Küchengespräch. Was sie sagt, klingt nach einem Befehl: »Scrollt bitte mal bis ganz nach unten ans Ende der Seite, dann bei Neupiraten doppelklicken.« Keine Frage, dieser Pirat meint uns.
    Offensichtlich haben wir seit einer Weile, ohne es zu merken, in die Konferenz der Arbeitsgemeinschaft Geldpolitik gequatscht. Nun lotst der Unbekannte uns in einen abgelegenen virtuellen Raum – eine Art Erste-Hilfe-Ecke für Neupiraten.
    Wir sind dort nicht allein an diesem Abend. Auch unsere Probleme scheinen den freiwilligen Helfern aus der Partei nicht neu. Langmütig erklärt uns der Pirat, dass wir erst noch einige Einstellungen an meinem Laptop ändern müssten, weil sich das Mikrofon sonst nicht nach Bedarf an- und vor allem ausschalten lasse. Er bleibt an unserer Seite, bis wir seine Tipps umgesetzt haben. Und tatsächlich: Dann klappt es. Wir bedanken uns und verlassen die Notaufnahme. Ich staune: Es gibt bei den Piraten wirklich Leute, die nach Feierabend freiwillig Neulinge wie uns bei Mumble verarzten!
    Mein Freund hat die Blamage schnell verdrängt und klickt sich durch die Konferenzräume, als wäre dort heute ein Tag der offenen Tür. »Wie Skype, nur mit besserer Sprachqualität«, sagt er anerkennend. Eigentlich könnte er aber langsam auch mal wieder den Stuhl freigeben und zu seiner »Letterman Show« zurückkehren.
    Ich will mich vor der Diskussion morgen Abend schließlich auch noch ein bisschen einhören. Und die digitalen Besprechungszimmer der Piratenpartei sind so zahlreich, dass ich gar nicht weiß, wo ich mich als Erstes zuschalten soll: Allein 47 Arbeitsgemeinschaften haben bei Mumble ihre eigenen Gesprächsräume eingerichtet – von der AG Außen- und Sicherheitspolitik bis zur AG Zukunftsvision. Ich entdecke eine »erzählkreiselfreie Zone ohne Tooldiskussionen« und eine Hafenbar mit Nebengelassen, die »Grillstube Saloniki« oder »Separee Infosocke« heißen. In der Piratenkneipe »Dicker Engel« ist gerade leider Flaute. Aber ein paar Räume weiter im »Reepschläger« besprechen sich einige Piraten. »Käptn, hast du schon den anderen Hashtag mitbekommen?«, fragt ein Pirat in die virtuelle Runde. Der Angesprochene verweist auf ein Piratenpad, also eines dieser virtuellen Dokumente zum gemeinsamen Schreiben von Texten, das er eben im Chat verlinkt habe. »Welches Pad meinst du?«, fragt ein anderer. Drei Männer diskutieren in einer Audiokonferenz über Hashtags in einem Pad, das in einem Chat verlinkt wurde. Ich hatte mir diese digitale Mumble-Geselligkeit wohl doch ein wenig zu romantisch ausgemalt.
    Welchen Gesprächsraum ich auch anklicke, die Debatten verlaufen ziemlich gemäßigt, verglichen mit den hysterischen Gefechten zwischen Piraten, die ich auf Twitter mitbekomme. Aber ob das morgen beim Thema Frauenquote auch so sein wird?
    Die Quote ist

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